Der Tübinger Oberbürgermeister Robert Palmer steht gerade massiv in der Kritik, weil er bei einem öffentlichen Auftritt mehrfach das N-Wort verwendet hat. Er will sich nun eine Auszeit nehmen und zudem verlässt er auch die Grünen.
Darf man aber das N-Wort verwenden?
Es kommt auf den Kontext an.
Auf diesem Kontext beruft sich Robert Palmer zwar auch, kontert dann aber den Vorwurf, der ihm durch Zuhörende entgegengeschleudert wurde, er sei ein Nazi, mit einem ziemlich drastischen Vergleich, dass man ihn nämlich nur aufgrund seiner Wortwahl stigmatisiere, wobei er sich selbst mit den unter Hitler verfolgten Juden indirekt verglich.
Das ist inhaltlich natürlich Unsinn.
Es steht einem prinzipiell zwar frei, das N-Wort zu verwenden oder nicht, aber es gibt gute Gründe es nicht zu verwenden.
Den Jüdinnen und Juden im sogenannten Dritten Reich, der faschistischen Hitler-Diktatur, stand es jedoch keineswegs frei, entscheiden zu können, ob sie nun jüdisch sind oder nicht. Man versteht unter Jüdischsein zwar unterschiedliche Dinge, einerseits kann die Religion gemeint sein, andererseits die Kultur, oder aber die Zugehörigkeit zu einem Volk oder einer Volksgruppe, also auch gewissermaßen die Abstammung. Aber spätestens seine Abstammung kann man sich nicht mehr aussuchen.
Ganz anders, als Worte, die man benutzt: Diese kann man sich nämlich aussuchen.
Darf man nun aber das N-Wort benutzen?
Es kommt drauf an. Wenn man es als Politiker benutzt, muss man einem solchen Politiker unterstellen, dass er damit einen gewissen Effekt erzielen möchte und sich politisch positionieren will. Denn Politiker wählen ihre Worte in aller Regel mit Bedacht.
Wenn hingegen ein Kind dieses Wort benutzt, wird man es pädagogisch darauf hinweisen, dass dieses Wort einen rassistischen Hintergrund hat, dass es nämlich Menschen nur aufgrund ihrer Hautfarbe benennt und sie somit stigmatisiert. Und dass dies der Grund ist, weshalb man es nicht mehr verwenden sollte. Aus Respekt anderen Menschen gegenüber und auch aufgrund der Überzeugung, welche sich beispielsweise auch im deutschen Grundgesetz widerspiegelt, dass niemand aufgrund seiner Abstammung oder Hautfarbe stigmatisiert werden darf.
Nun wird man aber spätestens bei Kindern nicht völlig umhin können, ihnen einmal zu sagen, was das N-Wort denn eigentlich ist. Denn es bringt einem Kind nicht viel, zu sagen, du darfst das N-Wort nicht gebrauchen, ohne dass es weiß, wie das N-Wort überhaupt lautet. Man könnte dann auf das lateinische Adjektiv “niger, nigra, nigrum” verweisen, welches “dunkel, schwarz” heißt und welches gewissermaßen zum sprachlichen Ursprung des N-Wortes wurde. Und man wird auch in anderen Kontexten dieses Wort verwenden dürfen, beispielsweise in wissenschaftlichen Abhandlungen, die dieses Wort in Anführungsstriche setzen und beispielsweise darauf hinweisen, dass dieses Wort früher verwendet wurde, heute aber aus den oben genannten Gründen nicht mehr verwendet werden sollte.
Wenn nun aber ein Politiker auf der Bühne mehrfach dieses Wort verwendet, wird man ihm wohl nicht abnehmen wollen, dass dies versehentlich geschehen sei, weil Politiker in der Regel nur zur Politikern wurden, indem sie ihre Worte eben bewusst und gesetzt wählten.
Es gibt also Fälle, in denen man nicht umhin kommt, das N-Wort zu benennen, aber es kommt auf den Kontext an. Und der Kontext sollte immer respektvoll und geschichtsreflektierend sein, so dass man dann zwar weiß, es gab dieses Wort einmal, dass man aber gleichzeitig weiß, weshalb man es heute doch bitte nicht mehr verwenden sollte: Weil es einen rassistischen Kontext in der Geschichte hatte, den man heute nicht weiter replizieren sollte.
Vor dem Saal
…auf die Frage, ob er das N-Wort benutze soll Boris Palmer geantwortet haben: „Ja, ich benutze das Wort Neger“.
Im Saal
„Wenn ich eine Person, die vor mir steht als Neger bezeichne, ist das eine justiziable Beleidigung. (…) Wenn ich aber die Frage diskutiere, ob Astrid Lindgrens Roman in Zukunft Südseekönig oder Negerkönig schreiben soll, dann ist das eine vollkommen legitime Verwendung des Wortes Neger (…) Ich lasse mich nicht aus der Verbindung des Wortes an sich als Rassist abstempeln.“ ― Boris Palmer
Naja, wenn er das Wort benutzt, ist das bei einem Politiker aber durchaus ein politisches Statement. Sowas rutscht einem politt nicht einfach so raus.