Das “Friedenspfarramt der evangelischen Landeskirche in Württemberg” meint allen Ernstes folgendes:
Aus diesen Gründen fordern die Erstunterzeichnenden, die militärische Unterstützung der Ukraine zu beenden und sich für Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen einzusetzen. Tagesaktuell schreiben die Verfasser:innen:
Wir sind uns bewusst, dass inzwischen der Konflikt in Israel und Palästina in den Vordergrund gerückt ist. Auch hierzu vertreten wir die Ansicht, dass eine Lösung des Konfliktes nur durch nicht-militärische, gewaltfreie und dem Völkerrecht verpflichtete Vereinbarungen zu erreichen ist.
Quelle “Friedenspfarramt‘
Schauen wir mal, ob das Friedenspfarramt der württembergischen Landeskirche so auch redet, wenn russische Truppen Deutschland überfallen. Das dürfte nämlich mittelfristig passieren, falls Russland mit seinem Konzept Angriffskrieg erfolgreich ist. Dann wird Russland nämlich weitere Länder überfallen. Im russischen Staatsfernsehen wird davon übrigens immer wieder fabuliert.
Und dann sollen wir uns alle ergeben, uns massakrieren, vergewaltigen und unsere Kinder nach Russland verschleppen lassen? Weil angeblich Jesus das so gesagt habe?
Dass Luther mit seiner Zwei-Reiche-Lehre eine viel realistischere Sicht hatte, wird nicht erwähnt.
Aber man erlebt im Leben ja oft die Dinge auch mal aus der anderen Perspektive. Wollen wir das für uns in Deutschland nicht hoffen. Aber wenn es so wäre, dann wäre das die Zeit, wo diejenigen, die derartiges fordern, auf dem Prüfstand stehen, ob sie das wirklich so meinen. Und ehrlich gesagt: nein, sie werden dann auch verteidigt werden wollen. Und sie werden sich auch verteidigen wollen.
Es ist unverständlich, wie man immer wieder derart oberflächlich argumentieren kann. Wer die Theologie so missbraucht, um grundlegende politische Reaktionsschemata einfach zu ignorieren, handelt grob fahrlässig und tut auch der Kirche damit keinen Dienst, weil sie auf diese Weise völlig unglaubwürdig wird.
Ja, Jesus ging den friedlichen Weg. Dafür wurde er auch ermordet. Von den Imperialisten, den Römern. Und nach ihm zahlreiche christliche Märtyrer, tausende, vielleicht sogar noch mehr. Und diesen Weg wollen die Verfasser dieser Petition also allen Ernstes den Ukrainern empfehlen, während sie selbst im sicheren Hafen der NATO sitzen? Zynischer geht es gar nicht.
Eine Kirche, die derartigen Zynismus von sich gibt und Menschen, die derartigen Zynismus dann sogar noch verbreiten, wirken theologisch zutiefst unglaubwürdig. “Den Nächsten lieben wie sich selbst” impliziert nämlich, dass man sich selbst auch annimmt. Seine Feinde so lieben, dass man sich selbst von ihnen ermorden lässt und seine Familien und seine Kinder verschleppen lässt, bedeutet nämlich, dass man sich selbst nicht annimmt – und dass man auch seine Nächsten nicht liebt: seine Familie, seine Kinder, seine Freunde, seine Bekannten, die alle dem russischen Imperialismus zum Opfer fallen würden. Das hat Jesus so wohl nicht gemeint. Jesus aber so einseitig für die eigenen scheinbar pazifistischen Zwecke zu instrumentalisieren, obwohl klar ist, dass auf diese Weise kein Frieden erreicht werden kann, ist bestenfalls völlig naiv, schlechtestenfalls purer Zynismus.
Denn politisch gibt es genau immer dann Frieden, wenn entweder alle es miteinander gut meinen, was selten der Fall ist, oder wenn der Angriff des einen Landes auf das andere für das angreifende Land so grosse Nachteile hätte, dass es diesen Angriffskrieg von vornherein überhaupt nicht in Erwägung zieht.
Para bellum, si vis pacem. Politisch, militärisch und strategisch ist einzig und allein die militärische Abschreckung der Garant für dauerhaften Frieden.
Wohl erst innerhalb dieses Friedens kann es darum gehen, die Herzen der Menschen so zu bewegen, dass sie den Frieden mit dem Volk, das sie ursprünglich angreifen wollten oder bereits angegriffen, überfallen und ausgeraubt haben, dann auch wollen. Aber zuerst muss einmal die militärische Abschreckung den Frieden garantieren. Das ist Realpolitik und wer dies verneint, ganz besonders, wenn eine Kirche dies verneint, dann droht sie, völlig unglaubwürdig zu werden, weil sie der Welt in diesem Fall nichts zu sagen hat ausser einer gut gemeinten Absichtserklärung ohne Realitätsbezug.
Wer so argumentiert, kann den ukrainischen Menschen in ihrer tiefsten Existenznot bestenfalls noch 5000 Helme liefern, damit die russischen Bomben auf ihren Köpfen und den Köpfen ihrer Kinder nicht ganz so hart zerplatzen.
Ach, ja, und last but not least meint das Friedenspfarramt der evangelischen Landeskirche Württemberg offensichtlich, dass mit der Hamas wohl auch eine friedliche Lösung gefunden werden müsse. Also mit den Terroristen, die die grösste Anzahl jüdischer Menschen an einem einzigen Tag seit dem Holocaust einerseits durch ihre Raketen getötet, andererseits sogar vor Ort bestialisch ermordet haben, nämlich etwa 1400 und zudem noch etwa 240 Menschen nach Gaza verschleppt haben.
Würde man diese 1400 Menschen auf die Gesamtbevölkerung von Deutschland umrechnen, wäre das so, als ob in Deutschland an einem einzigen Tag etwa 12.000 Menschen ermordet worden wären – von Terroristen. Und mit diesen Terroristen möchte das Friedenspfarramt ganz fromm und frei und unverdrossen also im Gespräch Frieden herbei verhandeln? Während man selbst daheim in Deutschland in Sicherheit sitzt.
Könnte es sein, dass ein gewisser Antisemitismus in diesen kirchlichen Kreisen die Ursache dieses Ansinnens sein könnte? Ein Antisemitismus, der einfach nicht wahrnimmt, was dort gerade für eine Ungeheuerlichkeit passiert ist?
Übrigens, der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenski, ist auch Jude.
Klar, Frieden wollen wir alle. Aber wie man dahin kommt, das ist die Frage. Den russischen Imperialismus einfach zu ignorieren, indem man der Ukraine zu ihrer Verteidigung keine Waffen mehr liefert, bedeutet, die ukrainischen Menschen den russischen Gräueltaten, von denen man mittlerweile so viele sehen musste, zum Fraß vorzuwerfen. Und ähnlich dürfte es bei Israel sein. Wenn Israel sich nicht verteidigen dürfte, würde die Hamas wohl weiterschiessen und munter weiter jüdische Menschen ermorden.
Frieden, ja gerne, aber doch bitte mit Vernunft und Realitätsbezug. Alles andere ist naiv. Und eine Kirche, die sich wie das “Friedenspfarramt” äussert, läuft Gefahr, auch so wahrgenommen zu werden: als naiv und deswegen gesellschaftlich auch irrelevant.
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Kleiner Abspann zur Absurdität des Ganzen:
Das Friedenspfarramt fordert also “Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen”. Schauen wir einmal, wie das aussehen könnte:
Friedenspfarramt: Werter Herr Diktator Putin, wir stellen keine Bedingungen, damit endlich wieder Frieden herrscht.
Diktator Putin: Fein, das passt mir. Dann nehme ich die Ukraine. Dazu noch Polen, das Baltikum, Tschechien und Deutschland. Vorerst.
Friedenspfarramt: Ähhhmmm…
(Der 7. Oktober ist der Geburtstag des russischen Diktators Putin.)