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Freiwillige Selbsttests. Ein tragfähiges Konzept?

In Deutschland soll künftig in Einrichtungen, in denen Kinder betreut werden, besonders in Schulen, auf freiwilliger Basis getestet werden, ob ein Kind eine Infektion mit dem Coronavirus hat.

Einerseits eine gute Idee, weil so große Cluster von Infektionen schnell eingedämmt werden können. Für die Gesellschaft ein Plus.

Für den Einzelnen aber nicht unbedingt ein Plus, sondern bisweilen wohl sogar ein Minuspunkt, denn die Selbsttests haben eine Fehlerquote von bis zu 2%, in der Realität womöglich sogar bis etwa 4%. Menschen aber, die positiv getestet wurden, müssen sich 14 Tage in Quarantäne begeben.

Das bedeutet, sie dürfen 14 Tage lang das Haus nicht mehr verlassen. Wer nun einen großen Garten besitzt, kann dies wohl einigermaßen stoisch ertragen. Wer aber mit mehreren Menschen in einer Wohnung lebt, bei dem sieht das gleich ganz anders aus.

Nun müssen aber offensichtlich nicht alle Menschen aus einer Wohnung in Quarantäne. Es wird unterschieden zwischen Kontaktperson 1 und Kontaktperson 2. Wird man in die Kategorie Kontaktperson 2 eingeordnet, kann man, wenn man beispielsweise ein Kind ist, weiterhin in eine Schule gehen. Allerdings ist durchaus fraglich, ob man, wenn man in einer Wohnung zusammen lebt, sich überhaupt derart aus dem Weg gehen kann, dass man nicht realiter doch Kontaktperson 1 ist und eigentlich auch in Quarantäne bleiben müsste.

Wenn nun zwischen 2% und 4% der Kinder potentiell falsch positiv getestet werden, kann das zur Folge haben, dass ganze Familien 14 Tage lang in ihrer Wohnung eingesperrt sind. Wenn man auf das letzte Jahr zurückblickt, ein Jahr immer wieder abwechselnd im Lockdown oder Shutdown, sieht man viele Familien, die in die Brüche gegangen sind. Die bloße Nähe der Beziehungen, die hohe Beziehungsdichte in Kombination mit äußerer Kontaktarmut also, dürfte hier ein entscheidender Faktor gewesen sein.

Wenn man nun also sein Kind freiwillig in der Schule oder der Kita testen lässt, läuft man Gefahr, dass es zu den 2 oder 4 von 100 Kindern gehört, die ein falsch positives Testergebnis nach Hause bringen. Die Folge kann sein, dass die Familie für 14 Tage in der Wohnung eingesperrt ist. Die weitere Folge kann sein, dass die Familie in dieser Zeit zerbricht oder die Beziehungen in der Familie derart geschädigt werden, dass die Familie in der Folge zerbricht.

Nun ist es natürlich sehr ehrenvoll, wenn Einzelne dieses Los auf sich nehmen, möglicherweise falsch positiv getestet worden zu sein. Diese Ehrenhaftigkeit stößt aber an ein großes Fragezeichen, wenn zeitgleich Menschen zu Tausenden auf Demonstrationen gehen, ohne dort einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen oder den Mindestabstand zu halten. Menschen, die in dieser Weise demonstrieren gehen, dürften natürlich in großem Umfang dafür mitverantwortlich sein, dass die Infektionszahlen in der Folge wieder steigen. Und dann gibt es noch diejenigen Menschen, die eigentlich in Quarantäne sein müssten, sich aber nicht daran halten, weil die Einhaltung der Quarantänepflicht schlecht kontrolliert werden kann.

Für all diejenigen Menschen, die also recht verantwortungslos mit der Pandemie umgehen, müssten dann also die 2% oder 4% der falsch positiv getesteten Personen samt ihrer Familien die Bürde auf sich nehmen. Und spätestens hier merkt man, dass es eine gewisse empfundene Gerechtigkeitslücke gibt.

Sinnvoller wäre es, wenn Selbsttests für alle verpflichtend wären und dann, beispielsweise wie ein Taiwan, auch auf elektronischem Wege überprüft werden könnte und würde, dass Quarantänebestimmungen tatsächlich auch eingehalten werden. In diesem Fall würde man mit leichterem Herzen ein möglich falsches Testergebnis und die damit verbundenen 14-Tage Quarantäne auf sich nehmen. Im aktuellen Fall jedoch überlegt man sich gut, ob man sein Kind freiwillig testen lassen möchte, zumal eben nicht nur das Kind, sondern die gesamte Familie von einem falsch positiven Testergebnis in psychologisch und mitunter auch wirtschaftlich bedrückender Weise betroffen sein kann.

Man selber lebt vielleicht seit einem Jahr sehr kontaktarm, lüftet viel, wenn andere Menschen irgendwo in der Arbeit zugegen sind, trägt Masken, hält Abstand, desinfiziert sich die Hände. Und dann sieht man, dass andere Menschen das überhaupt nicht machen. Und weil es eben viele Menschen gibt, die nicht in dieser gleichen Art und Weise verantwortlich handeln, sind überhaupt erst die freiwilligen Selbsttests nötig, die dann Menschen möglicherweise mit falsch positivem Testergebnis in die 14-tägige Isolation schicken. Der Einzelne soll hier also in altruistischer Art und Weise für die Schludrigkeiten anderer Menschen einstehen. Und nicht nur der Einzelne, sondern seine ganze Familie. Ein problematischer und von einigen Menschen als ungerecht empfundener Ansatz.

Zur gleichen Zeit werden nun tausende Deutsche nach Mallorca in den Osterurlaub fliegen, obwohl sie in Deutschland selbst keinen Urlaub machen können, weil die Hotels und Ferienwohnungen und Ferienhäuser hier von Urlaubern weiterhin nicht gebucht werden können. Diese Mallorca-Urlauber, Erwachsene und ihre Kinder, die in Kitas und Schulen gehen, kommen aus Regionen, in denen die Sieben-Tages-Inzidenzen viel höher sind, als derzeit auf Mallorca. Man kann davon ausgehen, dass nach den Osterferien die Inzidenz auf Mallorca ebenfalls hoch sein dürfte. Und dass sie in Deutschland nach der Rückkehr noch weiter steigen wird. Die Zahlen sind in Deutschland in den letzten Wochen bereits stark gestiegen, trotzdem wurden auch die weiterführenden Schulen für Schüler und Lehrer wieder geöffnet. Freiwillige Selbsttests in Kitas und Schulen sollen nun Freiheiten zurückbringen, so heißt es.

In Bayern zumindest gelten die oberen Gedanken nur unter Vorbehalt, denn ein positiver Schnelltest, der beispielsweise an einer Schule gemacht wurde, bedeutet nur, dass ein Kind sich zunächst einmal von den anderen absondern und nach Hause gehen muss. Das Gesundheitsamt wird dann einen PCR Test durchführen, bei dem die Fehlerquote äußerst gering ist. Die Quarantäne besteht dann also nur verhältnismäßig kurz, nur solange, bis das Ergebnis des PCR-Tests da ist.

Sofern das in anderen Bundesländern auch der Fall sein sollte, könnte man dort entspannter an solchen Selbsttest teilnehmen. Die Quarantäne würde dann zunächst auf wenige Tage zusammenschrumpfen, bis eben das PCR-Testergebnis da ist. Mir ist jedoch ein Fall aus Nordrhein-Westfalen bekannt, der allerdings ein paar Monate schon her ist, wo eine Lehrerin freiwillig an einem Schnelltest teilgenommen hatte, kein PCR-Test, die danach 14 Tage lang in Quarantäne musste und keine Chance mehr hatte, einen PCR Test zusätzlich zu machen. Sie hatte sich später auf Antikörper testen lassen in zwei Tests, keine wurden entdeckt. Es war ganz offensichtlich ein Testfehler, der sie in die Isolation der Quarantäne geschickt hatte.

Sofern im Anschluss an einen Schnelltest von den Gesundheitsämtern innerhalb kurzer Zeit ein Termin für einen PCR Test vergeben werden sollte, könnte man relativ unbedacht einen Schnelltest mitmachen. Wie schnell jedoch Gesundheitsämter einen solchen Termin dann in der Realität tatsächlich einräumen können, wird man wohl erst noch sehen müssen, denn, wenn dies nur langsam vonstatten geht, könnte das bedeuten, dass man trotzdem tagelang in Quarantäne sitzt, bis man endlich den Testtermin hat.

Genauer kann man ähnliche Gedanken auch hier noch einmal nachlesen.

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