Ist der Mensch eine biologische Maschine, die womöglich sogar deterministisch abläuft, oder ist der Mensch mehr?
Nach einer Fortbildung von Herrn Dr. Franz Hauber in München bin ich immer wieder am überlegen, was denn eigentlich der Mensch sei. Laut Herrn Hauber ist die wissenschaftliche Sicht derzeit die, dass beispielsweise die Evolution auch völlig ohne ein göttliches Eingreifen auskomme. Auch der menschliche Geist findet sich letztlich in der Biologie des Gehirns wieder. Ungeklärt ist hier jedoch beispielsweise nach wie vor das phänomenologische Bewusstsein. Damit ist die Frage gemeint, was Bewusstsein überhaupt ist. Herr Hauber meint, einige Hirnforscher seien der Ansicht, dass das Bewusstsein etwas Emergentes sei, also im Grunde mehr als die Summe der einzelnen Teile. Eine Gehirnzelle allein könne man nicht vergleichen mit einem Netzwerk an Gehirnzellen. Dieser Ansatz ist sicherlich richtig, wenngleich er jedoch auch das Phänomen des Bewusstseins in keiner Weise erklären kann. Hier sind natürlich die Grenzen der Naturwissenschaft.
Herr Hauber gibt die aktuelle Forschungslage dergestalt wieder, dass es angeblich innerweltlich, biologisch wie auch physikalisch, kein transzendentes Eingreifen einer transzendenten Macht gebe oder zumindest nicht geben müsse, um die Welt erklären zu können.
Diese Aussagen halte ich für etwas problematisch, wenngleich Herr Hauber hier eher nicht seine eigene Meinung bzw nur zu einem gewissen Teil wiedergibt, sondern wohl naturwissenschaftliche Forschungsmeinungen rezitiert.
Was ich gegen diese Sicht einzuwenden hätte, ist folgendes. Naturwissenschaft kann nur untersuchen und verifizieren, wofür es Messinstrumente gibt. Im transzendentalen Bereich, den es ja durchaus geben kann, gibt es keine derartigen Instrumente.
Es ist interessant, die Forschungsmeinung der Naturwissenschaften zu hören, der zufolge das Universum ohne göttliches Eingreifen in der Art zustande gekommen sein könnte, in der es uns heute erscheint. Einen Gott oder eine transzendente Macht schließt das aber keineswegs aus.
Der Astrophysiker Harald Lesch beispielsweise erklärt, dass die Feinabstimmung des Universums doch ganz unglaublich ist. Hätte das Universum sich nach dem Urknall ein klein wenig anders entwickelt, wäre es entweder gleich wieder in sich zusammengefallen, oder derart schnell expandiert, dass es gewissermaßen auseinandergerissen worden wäre und sich darin keine Materie, die für Leben sorgen könnte, jemals hätte entwickeln können. Er vergleicht das mit einem Bild. Der Mensch sitzt auf einer Reihe von Rasierklingen, die derart fein aufeinander abgestimmt sein müssen, dass sie nicht umfallen. Es sind sehr viele Rasierklingen, die so übereinander stehen, nämlich 10 hoch 60. Auf 10 hoch 60 Rasierklingen sitzt also der Mensch, sitzt also das Universum, das niemals entstanden wäre, wenn eine der vielen Rasierklingen ins Wanken geraten wäre. Hier kommt man nicht umhin, zu staunen.
Dann gibt es in der Physik das Doppelspaltexperiment, demzufolge gar nicht klar ist, was dies eigentlich ist, die Materie. Kleinste Teilchen, Elektronen, verhalten sich je nach Messmethode einmal als Partikel, also gewissermaßen als winzige Perlen, andererseits als Wellen. Es ist unklar, warum das so ist. Und es ist unklar, was Materie eigentlich ist. Materie sind Wellen, aber Wellen von was eigentlich? Hier geht es ums Grundsätzliche. Aus was besteht denn alles? In einem Beitrag von Radio Bayern 2 zum Thema Schöpfung und Evolution wird auch dieser Frage nachgegangen. Viele Wissenschaftler bzw Astrophysiker vertreten offenbar die These, dass das Weltall letztlich etwas Geistiges ist, unter ihnen beispielsweise der mittlerweile verstorbene Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker. Das, was uns als anfassbare Materie erscheint, ist offensichtlich nicht das, wofür wir es halten.
Kommen wir zum Gehirn. Es ist denkbar, dass sich das Bewusstsein und das Gehirn ohne göttliches Zutun entwickelt hat. Dennoch bleibt die Frage, was das Bewusstsein überhaupt ist. Der Philosophieprofessor Markus Gabriel weist darauf hin, dass das Gebilde des Gehirns, von dem man leichtfertig annimmt, es handle sich hier um ein einziges Organ, was keineswegs bewiesen ist, zwar sicherlich für das Denken zuständig ist, dass sich das Bewusstsein als Phänomen aber keineswegs durch das Gehirn erklären lässt. Um Bewusstsein zu haben, ist zwar sicherlich ein Gehirn notwendig, aber zu behaupten, das Gehirn produziere das Bewusstsein, ist laut Markus Gabriel schlicht unhaltbar. Es ist wissenschaftlich nicht zu verifizieren, sondern eine bloße, implizite Annahme. Warum, und wie ist das gemeint? Stellen Sie sich das Gehirn so vor, dass sie hineingehen könnten. Sie würden, wenn Sie klein genug wären, dort lauter Gehirnzellen vorfinden. Wenn Sie noch kleiner wären, würden sie Moleküle vorfinden. Wenn Sie noch kleiner wären, dann Atome, Elektronen und andere kleinste Teilchen. Das Gehirn an sich ist also letztlich etwas Materielles und es ist in keinster Weise nachvollziehbar, warum in etwas Materiellem eine immaterielle Entität wie Geist entstehen können sollte.
Unklar? Hier vielleicht etwas klarer. Überlegen Sie, wo Sie letztes Jahr im Urlaub waren. Nehmen wir an, in Italien. Diese Aussage ist richtig. Sie waren also letztes Jahr in Italien. Ist diese Aussage nur richtig, wenn jemand sie denken kann? Wenn es also ein Gehirn gibt, wo diese Information materiell gespeichert werden kann? Angenommen, Sie selber wären irgendwann einmal tot und auch all die Menschen, die jemals von diesem Italienurlaub wussten. Alle Bücher und schriftlichen Aufzeichnungen über ihren Italienurlaub letztes Jahr wären zerstört. Wäre die Aussage dann nicht mehr wahr, dass Sie letztes Jahr in Italien im Urlaub waren? Doch, sie wäre nach wie vor wahr. Sie wäre wahr, auch, wenn niemand diesen Gedanken mehr denken könnte. Das heißt, es gibt eine immaterielle Welt, eine geistige Welt. Ein Gedanke kann wahr sein, auch, wenn es niemanden gibt, der ihn denken kann.
Aus diesen Gründen ist es verkürzt, zu glauben, der Mensch sei das Gehirn. Markus Gabriel macht das auch in seinem Buch zum Thema deutlich, welches den Titel trägt, Ich ist nicht Gehirn.
Woher weiß man übrigens, dass kein Gott in dieses Geschehen auf der Welt eingreifen könnte? Auch hier lehnt sich die Naturwissenschaft weit über ihrem Tellerrand hinaus, wenn sie über Dinge urteilt, die sie nicht beurteilen kann, weil es dafür kein Instrumentarium zum Messen gibt.
Mir fällt in dieser Hinsicht ein Entwurf des evangelischen Theologen Jürgen Moltmann ein, der meint, Gott habe in sich selbst Raum geschaffen für das Universum und alle Existenz darin. Das ist natürlich eine theologische Sicht, die man philosophisch vielleicht auch noch nachvollziehen kann, die sich aber nicht naturwissenschaftlich irgendwie nachweisen lässt. Sie geht aber doch einher mit der Vorstellung, dass die Materie nicht das sein muss, wofür wir sie halten, also nicht irgendwie kleine Murmeln, sondern dass sie etwas Geistiges sein kann. Dieser Ansicht nach wären wir und das Universum und alles, was sich uns zeigt, gewissermaßen etwas Geistiges, wir wären in Gott drin, wir wären ein Gedanke Gottes.
Eine physikalische Vorstellung bzw Tatsache, die auch in diese Richtung denken lässt, ist die Verschränkung von Elektronen. Wenn nämlich Elektronen miteinander verschränkt werden, reagieren sie zeitgleich, egal, wo im Universum sie sich befinden. Wenn das eine Elektron am einen Ende des Universums ist, das andere am anderen Ende, mal davon abgesehen, dass das Universum vermutlich kein Ende hat, und wenn man dann das eine Elektron verändert, verändert sich augenblicklich und ohne Verzögerung auch das andere Elektron. Dies lässt die Deutung zu, dass der Raum eigentlich nicht existiert. Denn die Information zwischen beiden Elektronen muss ja mit Überlichtgeschwindigkeit übertragen werden, was im klassischen physikalischen Sinn überhaupt nicht möglich ist. Die Schlussfolgerung lautet also, der Raum, wie wir ihn uns vorstellen, existiert nicht. Wir Menschen glauben, es gebe den Raum, aber dies ist offensichtlich eine Konstruktion unserer Vorstellung. Auch Immanuel Kant geht gedanklich in diese Richtung, wenn er fragt, wie die Welt an sich ist. Die Welt mit uns können wir uns gut vorstellen, die Welt an sich aber überhaupt nicht. Denn unser menschliches Denken ist derart vorgeprägt, dass wir a priori gewisse Dinge gar nicht anders denken können, als dieser Prägung entsprechend. Wir können uns zum Beispiel nicht vorstellen, wie es wäre, wenn es keine Zeit gäbe. Auch eine Welt ohne Raum ist für uns unvorstellbar. Ganz und gar unmöglich zu denken ist es uns, wie es wäre, wenn wir selber nicht existierten, also eine Welt ohne uns. An dieser Stelle sieht man, wie begrenzt unsere Wahrnehmungs- und Denkfähigkeit ist.
Um allmählich zum Schluss zu kommen, hier ein Fazit. Die Evolution mag gerne so stattgefunden haben, wie die Evolutionstheorie sie darstellt. Wie Gott seine Welt schafft, ist letztlich seine Sache. Damit die Evolution überhaupt erstmal stattfinden konnte, ist ein Universum notwendig, welches nach Harald Lesch dergestalt geschaffen ist, wie oben erwähnt. Zudem sind verschiedene Metamorphosen innerhalb des Universums notwendig, damit aus Sternenstaub überhaupt erst Elemente entstehen, aus denen sich Leben entwickeln kann, beispielsweise Kohlenstoff und viele weitere. Was aber das Universum ist, aus was es letztlich besteht, was Materie eigentlich ist, bleibt völlig verborgen. Die Physik kann sagen, dass die Materie aus Energie besteht, aber was ist philosophisch gedacht Energie und warum gibt es sie?
Auch, wenn Vergleiche natürlich immer hinken, könnte man uns Menschen mit einem Fisch vergleichen. Wir schwimmen im Wasser, sehen Pflanzen, den Boden, Steine und so weiter. Das Wasser aber sehen wir nicht. Als Fisch können wir es auch nicht nachweisen. Wir sind also mitten im Wasser, ohne, dass wir die geringste Chance hätten, dies verstandesmäßig zu erkennen. Wir sind mitten in etwas Geistigem, in etwas Transzendenten, religiös gesprochen mitten in Gott, ohne, dass wir eine Möglichkeit hätten, dafür einen Nachweis zu erbringen, zumindest keinen wissenschaftlichen. Wenn man aber mitten im Gott ist, wenn das ganze Universum in ihm ist, alle Materie, das ganze Bewusstsein, dann kann man getrost der Evolution ihren Lauf lassen und trotzdem wissen, dass Gott jedem Menschen so nah ist, wie wohl nichts anderes. Wir sind mitten in Gott drin.
Sich das Gehirn wie eine Maschine vorzustellen halte ich sowieso für problematisch.
Zumindest wenn man dabei eine althergebrachte Maschine mit Zahnrädern etc.pp. vorstellt.
Das ist sicher nicht, wie das Gehirn funktioniert.
Vielleicht kommt man mit einem anderen Bild vom Gehirn der Frage näher, was eigentlich Bewusstsein ist.
Letztendlich werden im Gehirn zwischen Nervenzellen elektrische Signale versendet. Wenn man nun einen Sender und einen Empfänger hätte, wobei Sender und Empfänger immer eindeutig zugeteilte Aufgaben besitzen, dann wäre das Bild von der Maschine mit den Zahnrädern eventuell brauchbar. So ist das aber nicht.
Wir haben vielmehr ein ganzes Netz an elektrischen Signalen, die hin und her ausgetauscht werden. Gehirnregionen kann man vielleicht gewisse Muster an Funktionen zuordnen, aber das Netz, das dahinter steckt ist sehr dynamisch.
Womit wir es also zu tun haben ist m.E.: Kommunikation.
Die verschiedenen Nervenzellen kommunizieren miteinander. Mentale Abläufe sind das, was aus diesem gigantischen Netz an Kommunikation erwächst.
In dem wir unser Vergleichsbild wechseln und uns das Gehiirn nicht als großes Zahnrad, bestehend aus vielen kleinen Zahnrädern vorstellen, sondern als großes Kommunikationsnetzwerk: verändert sich auch unser Bild, das wir von Bewusstsein haben. Nun wirkt unser Gehirn und unser Bewusstsein plötzlich wesentlich weniger mechanisch.
Vielleicht ist es das Vergleichsbild, das wir implizit wählen, das uns so ein Kopfzerbrechen macht. 😉
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