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Kontroverse um Prechts Äußerungen über das orthodoxe Judentum: Bediente er antisemitische Stereotype?

Bild: Der lange Schatten des Antisemitismus’

Eine Äußerung von Richard David Precht im ZDF-Podcast “Lanz & Precht” hat öffentliche Kritik und Kontroversen ausgelöst, nachdem er behauptete, orthodoxe Juden dürften laut ihrer Religion nicht arbeiten, “Ein paar Sachen wie Diamanthandel und ein paar Finanzgeschäfte ausgenommen.” Diese Aussage, die von der ZDF-Redaktion inzwischen entfernt wurde, bedarf einer genaueren Betrachtung.

Zunächst ist es wichtig, zu betonen, dass das orthodoxe Judentum keine Religion ist, die Arbeit verbietet. In der Tat legt das Judentum großen Wert auf Arbeitsethik und die Bedeutung, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Es gibt jedoch bestimmte religiöse Regeln und Vorschriften, die die Art der Arbeit beeinflussen können, die einige orthodoxe Juden ausüben. Zum Beispiel könnten strikte Beachtung des Sabbats oder koscherer Vorschriften bestimmte Beschäftigungsmöglichkeiten einschränken. Das ist jedoch weit entfernt von einem generellen Arbeitsverbot.

Prechts Äußerung, dass Ausnahmen im Diamanthandel und bei Finanzgeschäften gemacht würden, spielt leider auf alte, schädliche Stereotype über Juden an. Solche Stereotype, die Juden als geldgierig oder als Kontrolleure der Finanzwelt darstellen, haben eine lange und schädliche Geschichte, die in antisemitischen Vorurteilen verwurzelt ist. Solche Klischees und Vorurteile können, wenn sie unbeantwortet bleiben, zur Verbreitung falscher Informationen und zu weiterem Misstrauen gegenüber der jüdischen Gemeinschaft führen.

Es ist wichtig, sich gegen solche Stereotype zu stellen und die Fakten zu kennen. Das Judentum ist eine vielfältige Religion mit unterschiedlichen Glaubensrichtungen und Praktiken. Wie bei jeder anderen Religion gibt es auch im Judentum eine Vielzahl von Berufen und Lebensweisen.

Prechts Bemerkung wurde als kontrovers empfunden, da sie nicht nur faktisch ungenau, sondern auch potenziell schädlich ist. Es ist ermutigend, dass sowohl der Autor als auch die Redaktion schnell auf die Kritik reagiert haben und Precht angekündigt hat, in der nächsten Folge auf den Vorfall einzugehen. Es ist zu hoffen, dass dieser Vorfall eine Gelegenheit für Aufklärung und Verständnis bietet.

Die Geschichte zeigt uns die Gefahren, die mit der Verbreitung und Akzeptanz solcher Stereotype verbunden sind. Es ist wichtig, dass Medienpersönlichkeiten wie Precht sich der Macht ihrer Worte bewusst sind und die Verantwortung übernehmen, genaue und respektvolle Informationen über andere Kulturen und Religionen zu verbreiten.

Dies ist nicht das erste Mal, dass Richard David Precht öffentliche Kritik für seine kontroversen Äußerungen erntet. Erinnert sei an seine absurden und gefährlichen Kommentare zum russischen Überfall auf die Ukraine, bei denen er allen Ernstes empfahl, der angegriffenen Ukraine keine Waffen zu deren Verteidigung zu liefern. Diese Äußerungen sind aus aktueller Sicht umso kritischer, da in der Ukraine viele Juden leben. Historisch gesehen haben im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Juden Zuflucht in der Ukraine gefunden, die vor Verfolgung und Diskriminierung in anderen Teilen Europas flohen, wurden dort aber auch von den Nazis ermordet, mindestens 100.000 nämlich in Babyn Jar.

Prechts Vorschlag, der Ukraine keine Waffen zu ihrer Verteidigung zu liefern, wurde von vielen als naiv und unverantwortlich kritisiert. Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck war einer der lautstärksten Kritiker von Prechts Äußerungen. Gauck argumentierte völlig zu Recht, dass der “Verzicht von Waffenlieferungen im Prinzip eine Begünstigung des Aggressors” ist. Gaucks scharfe Kritik spiegelte die Gefühle vieler wider, die glaubten, dass Prechts Vorschlag nicht nur unrealistisch, sondern auch gefährlich war.

In beiden Fällen, sowohl bei seiner Äußerung zum orthodoxen Judentum als auch zu seiner Haltung gegenüber der Ukraine-Krise, zeigt sich, dass Precht mit seinen Äußerungen oft polarisiert und kontroverse Debatten auslöst. Dies wirft Fragen über die Rolle von Meinungsführern in der Öffentlichkeit auf und darüber, wie solche Persönlichkeiten ihre Plattform nutzen sollten. Es wirft auch die Frage auf, wie gut oder schlecht Precht überhaupt informiert ist oder welche Motive ihn in Wirklichkeit leiten.

Es ist unbestritten, dass öffentliche Figuren wie Precht eine immense Reichweite und Einfluss haben. Daher tragen sie auch eine besondere Verantwortung, sich informiert und respektvoll über Themen zu äußern, die weitreichende politische und gesellschaftliche Implikationen haben könnten. Es bleibt abzuwarten, wie Precht in zukünftigen Diskussionen navigiert und ob er aus den jüngsten Kontroversen gelernt hat.

[….] Bereits am Samstag hatte die israelische Botschaft in Deutschland Precht Antisemitismus vorgeworfen. “Schuster bleib bei deinen Leisten: Lieber Richard David Precht, wenn man keine Ahnung vom Judentum hat, sollte man besser nichts darüber sagen, als uralte antisemitische Verschwörungstheorien aufzuwärmen”, teilte die Botschaft auf der Plattform X mit.

Quelle ZEIT ONLINE

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