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Pandemie in Deutschland: Das Versagen der Eigenverantwortung

In Deutschland explodiert die Zahl der Neuinfektionen, gestern über 65.000 an einem einzigen Tag, heute fast 53.000, jeweils wesentlich höher als am selben Tag der Vorwoche, das Nachbarland Österreich geht nun drei Wochen in den Lockdown. Aus demselben Grund.

Deutschland ist noch nicht ganz soweit, gestern hat die potentielle neue Regierung, die sich aber noch nicht konstituiert hat, einige Maßnahmen auf den Weg gebracht, welche die Pandemie doch ein bisschen eindämmen sollen, aber es ist fraglich, ob diese Maßnahmen bei der aktuellen Wucht der Pandemie überhaupt noch wirken.

In Bayern gehen erste Landkreise mit extrem hohen Inzidenzen in einen Lockdown für Ungeimpfte, aber auch ein genereller Lockdown wird schon wieder diskutiert.

Ebenfalls liest man derartiges für Deutschland. Zwar hätten die Geimpften es verdient, dass sie nun von einem Lockdown verschont blieben, aber es reiche wahrscheinlich nicht mehr, nur die Ungeimpften in einen Lockdown zu schicken, zumal auch niemand deren Lockdown kontrollieren könnte.

Ein Ausweg wäre einzig eine Impfpflicht in Deutschland, die es aber noch nicht gibt, weil sich die Politik offensichtlich davor gefürchtet hatte, den ein oder anderen potentiellen Wähler damit zu verprellen. Im Herbst war die Politik in Deutschland mit den Bundestagswahlkampf beschäftigt, also mit sich selbst. Der gerade noch amtierende Gesundheitsminister, Jens Spahn, erklärte vor einigen Wochen das Ende der epidemischen Lage für den 25. November, in etwa also für das Ende seiner Amtszeit. Spahn lucutus, causa finita. So war vielleicht sein Gedanke.

Mittlerweile muss man aber eigentlich auch einmal darüber nachdenken, ob die Politik vielleicht gar nicht so planlos gehandelt hat, sondern planvoll im Sinne des eigenen Machterhalts. Virologen warnten schon lange vor genau den Szenarien, die wir jetzt in Deutschland erleben. Es ist schon seit Monaten klar, dass die Impfquote in Deutschland viel zu niedrig liegt, als dass man gut durch den Winter kommen könnte. Aber trotzdem geschah in der Politik nichts wesentliches.

Warum nicht? Vermutlich zum einen eben deswegen, weil man den Wähler nicht verprellen wollte oder glaubte, man könnte ihn vielleicht verprellen mit einer Impfpflicht, zum anderen aber wohl auch deswegen, weil man vielleicht glaubte, dass eine Gesellschaft eigenverantwortlich handeln könnte, eine Gesellschaft in ihrer Gesamtheit. Das hat sich aber als Trugschluss herausgestellt. Nun wird die deutsche Gesellschaft in einen Winter hinein gehen, der sich vom letzten Winter nicht positiv abheben dürfte, sondern der im Gegenzug vielleicht noch viel dramatischer werden könnte. Die aktuellen Inzidenzen deuten darauf hin, dass es demnächst etwa 400 oder 500 Tote jeden Tag in Deutschland aufgrund einer Coronainfektion geben könnte.

Nun wäre es aber Unrecht, den Ungeimpften die Schuld zuzuschieben. Sicherlich war es nicht sonderlich clever von ihnen und auch nicht sonderlich solidarisch, sich nicht impfen zu lassen, aber wenn der Staat ihnen das Recht dazu einräumt, dann kann man nicht im Nachhinein kommen und bekritteln, dass sich einige Bürgern dieses Recht genommen haben, das ihnen ja zusteht.

Das Problem liegt woanders. Das Problem liegt bei der Politik. Führende Politiker*innen haben aufgrund virologischer Voraussagen wissen können, wie der Winter mit der aktuellen Impfquote aussehen wird. Sie hätten eine Impfpflicht einführen müssen, haben es aber nicht gemacht, weil sie vermutlich in der naiven Annahme gefangen waren, die Impfquote werde sich noch auf wundersame Weise, vielleicht durch die Hilfe von magischen Einhörnern, plötzlich und massiv erhöhen. Hat sie aber nicht.

Und nun steht Deutschland kurz vor dem Winter, die Zahl der Neuinfektionen ist immens hoch, und niemand in der Politik will das Ganze kommen gesehen haben. Die noch geschäftsführend im Amt befindliche Bundesregierung fühlte sich irgendwie nicht mehr zuständig, die Ampelkoalition, die sich noch nicht konstituiert hat, tauchte wochenlang trotz tobender Pandemie ab und beschäftigte sich mit sich selbst und damit, für die eigene Partei einen möglichst guten Koalitionsvertrag auszuhandeln.

Auf der Strecke geblieben ist das Land, welches nun wahrscheinlich wieder in eine Strecke von mehreren Lockdowns kippen wird, auf der Strecke werden dann auch viele Menschenleben geblieben sein. Aber im Frühjahr werden dann alle schlauer sein, dann werden fast alle Bürger*innen nach einer Impfpflicht schreien. Dann wird möglicherweise auch der Letzte verstanden haben, dass die Impfung der Ausweg aus der Pandemie ist. Dann, nach unzähligen unnötig verschenkten Menschenleben.

Aber auch, wenn es bitter ist und eigentlich vermeidbar wäre: Vielleicht muss jedes Land erst durch sein eigenes Tal des Todes gehen, bevor es in seinem kollektives Gedächtnis lernt, das Leben zu schätzen und zu schützen. Jedes einzelne, unendlich wertvolle Leben.

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4 Kommentare

  1. klimaleugner

    Vielleicht sollte man den Ungeimpften zunächst das Wahlrecht entziehen, bevor man ihnen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit raubt.

    Im Ernst: Es ist erschreckend, wie wenig Ihnen Grundrechte bedeuten. Grundrechte heißen Grundrechte, weil sie grundsätzlich gelten und nicht nur dann, wenn es einem hysterisierten Mob in den Kram paßt.

    • god.fish

      Die Grundrechte sind unbedingt zu achten. Allerdings können Grundrechte auch miteinander in Konflikt kommen, dann müssen Gerichte abwägen, beispielsweise das Bundesverfassungsgericht. Es gab bereits eine Impfpflicht gegen die Pocken, welche so weltweit ausgerottet werden konnten. Ebenfalls eine Impfpflicht gegen die Masern wird diskutiert. Mehr können Sie unter folgendem Link einmal nachlesen.

      https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/impfpflicht-berufsgruppen-105.html

      • klimaleugner

        Sie wollen doch nicht im Ernst diese beiden Krankheiten miteinander vergleichen?
        Pocken sind zu 30% tödlich, die Coronagrippe bestenfalls zu 0,8 %. Die Pockenimpfung spielt in einer völlig anderen Liga.

      • god.fish

        Die Exponentialität des Coronavirus‘ ist das Problem. Innerhalb von kürzester Zeit kann das Gesundheitssystem eines Staates komplett überlastet sein durch eine solche Infektion, was zur Folge hat, dass Menschen, die einen Unfall hatten oder die dringend eine Operation aus anderen Gründen brauchen, im Krankenhaus nicht mehr behandelt werden können. Sowohl diese Menschen, als auch Menschen mit einer Coronainfektion, können in der Folge also zu Tausenden sterben, wenn das Gesundheitssystem kollabiert ist. Dass dies passiert, hat die Vergangenheit in mehreren Ländern gezeigt. Und es ist auch nicht ausgemachte Sache, ob Deutschland noch rechtzeitig die Kurve bekommt für diesen Winter.

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