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Heil, Janukowytsch ! – Oder: Die allerletzte Chance für die Ukraine

hitler janukowytsch2Die Polen haben es längst begriffen und es herrscht Krisenstimmung –  ihr Land grenzt direkt an die Ukraine: der ukrainische, mehrfach vorbestrafte Präsident Janukowytsch wird niemals und unter keinen Umständen freiwillig seine Macht wieder abgeben. Weder jetzt, noch nächstes Jahr bei den Präsidentschaftswahlen, noch irgendwann. Im Westen versteht man das nicht. Man glaubt noch, Worte träfen auf hörende Ohren. Die ZEIT veröffentlicht auf ihrem Kiew-Live-Blog:

(14:34) Unsere Leserin T. Albers, eine gebürtige Ukrainerin, hat sich mit einem offenen Brief an die Redaktion gewandt. Sie hält die Berichterstattung in den deutschen Medien für selektiv. Die Aussagen von Präsident Janukowitsch würden nicht kritisch genug hinterfragt. Was er sagt, sei “plump gesagt totaler Müll”. Albers fragt: “Wenn er doch so entgegenkommend ist und friedliche Verhandlungen möchte, warum lässt er Panzer aus allen erdenklichen Teilen der Ukraine nach Kiew rollen?” Die Demonstranten “kämpften nicht nur gegen ein korruptes Regime, das ihnen nicht passt, sondern für ihre Freiheit und für die Zukunft ihrer Kinder”.

 http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-01/ukraine-kiew-news-blog

Die Demonstrationen in Kiew und in mittlerweile mehreren Regionen entscheiden über die Zukunft des Landes. Scheitern sie, wird die Ukraine zur Diktatur – vermutlich für viele Jahrzehnte. Denn der “Präsident” hat vorgesorgt und die letzten vier Jahre sorgsam dafür genutzt, seine Schergen an alle wichtigen Schaltstellen von Justiz und Politik zu setzen. Gerne würde man den Ausnahmezustand ausrufen, was bedeuten würde: kein Handy, kein Telefon, kein Internet funktioniert mehr. Der “Präsident” und Berkut könnten nach Belieben Demonstranten schlachten, wie es ihnen gerade gefällt:

Ukrainische Medien melden, dass das Regionalparlament der Krim Präsident Janukowitsch gebeten hat, den Ausnahmezustand auszurufen. Das Parlament gilt als russlandorientiert.

http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-01/ukraine-kiew-news-blog

Aus diesem Grund sind die Ukrainer aufgebracht. Es ist nicht so, dass die Vermummten und mit Helmen und Beinschützern ausgestatteten Aktivisten radikal wären. Ihre Ausstattung ist vielmehr die Reaktion auf die Scharfschützen der skrupellosen Polizeieinheiten “Berkut” (deutsch: Steinadler), die gezielt auf friedliche Demonstranten schießen und sie jagen. Es ist zudem die Reaktion auf Verschleppungen von  vielen Menschen, die bislang nicht wieder aufgetaucht sind. Und die Reaktion auf Folterungen und Ermordungen. Mittlerweile sprechen Analysten davon, dass wohl auch der russische Geheimdienst schon länger in diese Aktivitäten aktiv involviert ist.

(12:17) Der international bekannte ukrainische Autor Juri Andruchowitsch hat sich in einem Aufruf an die Öffentlichkeit gewandt: In den Nachrichten aus Kiew könne man Demonstranten geschützt mit Helmen und Gesichtsmasken sehen, manchmal hielten sie Holzknüppel. “Sie dürfen nicht glauben, dass Sie Extremisten, Provokateure oder Rechtsradikale vor sich haben“, schreibt Andruchowitsch. “Sowohl ich wie auch alle meine Freunde erscheinen nun zu den Kundgebungen in solcher Ausrüstung.” So schnell seien er, seine Frau, seine Tochter und Freunde zu Extremisten geworden. “Wir haben keinen anderen Ausweg, unser Leben und unsere Gesundheit zu verteidigen. Auf uns zielen die Kämpfer der Polizeieinheiten, unsere Freunde werden von ihren Scharfschützen getötet.”

In nicht einmal vier Jahren seiner Amtszeit habe Janukowitsch die Situation im Staat und in der ukrainischen Gesellschaft bis zum äußersten Spannungsgrad zugespitzt. “Noch schlimmer – er hat sich selber in eine Sackgasse getrieben, da er in dieser Situation ewig an der Macht bleiben soll und auch seine Macht mit jeglichen Mitteln aufrechterhalten will”, schreibt Andruchowitsch. Sonst beginne für ihn eine rigorose kriminelle Verantwortung. Die Ausmaße von Diebstahl und Unterdrückung überstiegen alle Vorstellungen von menschlicher Gier.

http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-01/ukraine-kiew-news-blog/seite-2

(14:05) Seit gestern kursiert im Internet ein Video, das die Misshandlung eines Aktivisten belegen soll. Zu sehen ist ein Mann zwischen 30 und 40 Jahren, der von Militärpolizisten dazu gezwungen wird, sich nackt auszuziehen – bei zweistelligen Minusgraden. Sein Gesicht ist verwundet, ein Polizist schlägt ihm auf den Hinterkopf. Dann verschwindet er in einem Polizeitransporter. Für die Demonstranten ist Michail Gawriljuk, wie der Mann Berichten zufolge heißt, binnen Stunden zur Ikone des Protests geworden, schreibt unser Redakteur Tilman Steffen.

http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-01/ukraine-kiew-news-blog

Viele Ukrainer fühlen sich zudem vom Westen im Stich gelassen. Die mächtigste Frau der Welt, Angela Merkel, meinte eben erst, Sanktionen seien derzeit nicht angebracht. Viele Ukrainer fragen sich, ob der Westen außer schönen Worten denn noch etwas anderes parat hat ? Es ist frustrierend. Der Westen sollte sich darauf einstellen, dass in nächster Nähe demnächst – näher als Spanien (!) – eine lupenreine Diktatur entsteht.

Während Aktivisten in den Provinzen mehrere Rathäuser besetzt halten, ist die Lage in Kiew vergleichsweise ruhig, berichtet er. Dennoch harrten mehr als Tausend Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz aus. Sie fordern den Westen auf, die Privatvermögen der Regierungspolitiker einzufrieren.

http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-01/ukraine-kiew-news-blog

Der mehrfach vorbestrafte “Präsident” Janukowytsch spielt derweil auf Zeit. Heute kündigte er an, er wolle nächste Woche die Regierung umstrukturieren. Man fragt sich, was das soll.  Denn ob seine bestochenen und gekauften Kabinettsmitglieder nun den einen oder den anderen Posten in der Regierung inne haben, ist völlig gleichgültig. Die Zeit schreibt dazu in ihrem Live-Blog:

(16:41) Präsident Janukowitsch hat eine Kabinettsumbildung in der kommenden Woche zugesagt. Außerdem kündigte Janukowitsch an, die vom Parlament beschlossene Verschärfung des Demonstrationsrechts zu überarbeiten. Das meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax. Er reagiert damit auf Kritik der Opposition, deren Forderungen jedoch über diese Zugeständnisse hinausgehen. Sie wollen Janukowitschs Rücktritt.

http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-01/ukraine-kiew-news-blog

Was der Westen schnell verstehen muss: demnächst muss er mit Diktator Janukowytsch klarkommen. Wenn die Demonstrationen jetzt keinen Erfolg haben. Dann wird es nicht mehr viel bringen, wenn Frau Merkel den diplomatischen Ton “verschärft” und den ukrainischen Botschafter einbestellt. Sie könnte ihn ebenso gut ohrfeigen lassen, es würde “Präsident” Janukowytsch nicht kümmern.

Was ihn kümmert, ist einzig, wie er an der Macht bleibt. Und zwar aus mehreren Gründen. Einmal, weil er sich ungeheure Reichtümer rechtswidrig angeeignet hat. Andrerseits, weil er für sein Handeln zur Rechenschaft gezogen werden würde. Eine letzte Möglichkeit wäre vielleicht eine Reihe von Sicherheitsgarantien, dass er sich im Falle eines Rücktrittes nicht vor einer – hoffentlich bis dahin objektiven – Justiz verantworten müsste und seine Reichtümer behalten dürfte. Das wäre eventuell eine Möglichkeit, unter der er ganz vielleicht doch zurücktreten könnte. Aber er wird nicht wollen. Er wird weiter pokern, dass die Demonstranten erlahmen, dass die kritischen Journalisten nach und nach in den Gefängnissen landen, dass Regierungskritiker verschleppt und nie mehr aufgefunden werden.

In Deutschland und Europa sollte man sich dringlichst und schnell erinnern: einst hielt man es für möglich, Hitler in Schach halten und kontrollieren zu können. Es war eine der folgenschwersten Fehleinschätzungen der jüngeren Geschichte. Über 60 Millionen Menschenleben waren der Preis. Was wird der Westen heute tun, außer besorgt dreinzublicken und darauf zu pochen, dass Herr Präsident doch bitte die Bürgerrechte wieder herstellen solle. Er hat kein Interesse. Stellen Sie sich schon mal auf den neuen Gruß ein, wenn Sie demnächst in Kiew landen: Heil, Janukowytsch !

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