Nachdem Deutschland nun das einzige Land in der EU ist, das die Abschaltung des Swift-Zahlungssystems in Russland immer noch blockiert hat, kippt die Stimmung in der Bundesregierung nun wohl ein wenig.
Einerseits wolle man natürlich schon noch sein Geld von russischen Schuldnern bekommen, andererseits wolle man aber wohl auch ein bisschen das Zahlungssystem abschalten, zielgerichtet, damit man nicht ganz so dumm dasteht als reiches und zugleich knausriges Deutschland. Sonst schauen alle immer so sauer auf einen.
Im Deutschland der Dichter und Denker und Humanisten ist ein Menschenleben zwar theoretisch durchaus sehr wertvoll, aber den Krieg in der Ukraine mit einer wirtschaftlichen Atombombe, der kompletten Abschaltung des Swift-Zahlungssystems womöglich zu beenden oder einzuhegen, das will man irgendwie noch nicht.
Der Punkt ist aber doch der: Putin hat gerade angekündigt, die militärischen Aktionen in der Ukraine in alle Richtungen ausweiten zu wollen. Die ukrainische Hauptstadt Kyjiw mit ihren 2,8 Millionen Einwohnern steht unter russischem Beschuss, die ganze Ukraine steht unter russischem Beschuss und es ist unklar, wie lange das Land noch Gegenwehr leisten kann, auch, wenn es sich bisher erstaunlich gut schlägt.
Aber man muss Putin jetzt die volle wirtschaftliche Härte zeigen, nicht nur eine leise Vorahnung davon. Putin versteht sanfte Zwischentöne nicht.
Die volle wirtschaftliche Härte bedeutet ein Energieembargo. Wenn man das Swift-Zahlungssystem abschaltet, kann Russland kein Erdgas und kein Erdöl mehr exportieren. Klar, Deutschland und die EU können es dann auch nicht mehr importieren von Russland, aber die EU und Deutschland werden das irgendwie arrangieren können. Es gibt ja auch anderweitig noch Anbieter. Außerdem kommt gerade der Frühling, es wird wärmer. Und Strom kann man auch von den Nachbarländern tanken, es gibt genug Atomkraftwerke um Deutschland herum, auch Deutschland besitzt noch einige davon, die man nun möglicherweise doch noch etwas länger am Netz lassen sollte, um nicht von dem Kriegstreiber und Kriegsverbrecher dieses Jahrhunderts energietechnisch abhängig zu bleiben.
Deutschland muss jetzt einer kompletten und vollständigen Abschaltung des Swift-Zahlungssystems in Russland zustimmen. Alles andere ist Augenwischerei.
Putin muss merken, dass es nicht nur der EU, sondern auch dem russlandfreundlichen Deutschland todernst ist. So todernst, wie Putin Menschenleben in der Ukraine in den Tod bombardiert.
Denn es ist doch so: Mit dem Geld, das Putin aus dem Verkauf von Erdgas und Erdöl erhält, finanziert er einerseits seine Autokratie und seine treuen Mitläufer, andererseits investiert er eine ganze Menge dieses Geldes ins Militär, mit welchem er Europa angreift.
Unter guten Freunden geht sowas gar nicht. Unter Feinden übrigens auch nicht. Und Russland unter Putins Führung ist leider kein Freund mehr, auch kein Partner, es ist, man muss es leider so nennen, derzeit wirklich der Feind der Demokratie, des Rechtsstaats, des Völkerrechts und der Menschenrechte, also auch der Feind der Europäischen Union. Und einem Feind gibt man klugerweise kein Geld in die Hand, mit dem er sich Waffen kaufen kann, mit welchen er einen dann angreift.
Es ist schön, dass die Bundesregierung unter Olaf Scholz nun in allerletzter Sekunde auch einmal begriffen hat, dass wir Krieg in Europa haben, dass Deutschland mittlerweile völlig isoliert in der EU dasteht, weil es als einziges Land noch die Abschaltung von Swift in Russland verhindert hat, aber die Bundesregierung sollte sich doch nun bitte nicht blamieren, indem sie versucht, vorzutäuschen, man werde mit einer “zielgerichteten Abschaltung” von Swift in Russland irgendwas erreichen können.
Putin versteht, das hat er in Tschetschenien gezeigt, in Syrien, das hat er bei den Auftragsmorden in Europa gezeigt, nur eine Sprache der absoluten Stringenz und Härte.
Nur, wenn Putin merkt, dass ein Energieembargo von der EU tatsächlich auch durchgezogen wird, dass es Putin also auch nichts bringen wird, wenn er nun demnächst innerhalb der Ukraine Erdgas-Pipelines in Richtung Westen zerstört, um dann darauf zu hoffen, dass der Westen vielleicht doch noch umkippen und Nord Stream 2 aktivieren könnte, nur wenn Putin das glaubhaft versteht, haben wir eine Chance auf Frieden.
Nicht durch Einsicht von Putin, aber durch die entwaffnende Macht des Geldes, das bei Putin dann nicht mehr rollt. Und rollt der Euro nicht, hat Putin im eigenen Land plötzlich auch keine Freunde mehr.
Es wäre dann nur noch eine Frage der Zeit, bis einer seiner sogenannten Freunde, die er reich gemacht hatte, ihn vielleicht beim internationalen Strafgerichtshof ausliefert, damit ihm der Prozess wegen Kriegsverbrechen und Bruch des Völkerrechts gemacht werden kann. Denn so sympathisch findet ihn der ein oder andere seiner sogenannten Freunde vielleicht gar nicht. Und damit dies möglicherweise in Zukunft geschehen kann, zuvörderst aber, damit der Krieg möglichst schnell aufhört, helfen keine halbherzigen Swift-Abschaltungen, sondern nur das ganze Programm. Nur dadurch würde die EU und ganz besonders das wirtschaftlich unglaublich reiche, militärisch jedoch völlig wehrlose Deutschland den Frieden in der EU und in Europa sichern. Und mit dieser stringenten Abschaltung des Swift-Zahlungssystems in Russland würde China sich auch nicht trauen, Taiwan anzugreifen, weil man sieht: die EU versteht eben auch überhaupt keinen Spaß, wenn es um Menschenleben und den Bruch des Völkerrechts geht. Die EU redet nicht nur von Menschenrechten, sie lebt sie auch und lässt sie sich viel kosten.
Nur, wenn die EU und allen voran Deutschland mit seiner problematischen Geschichte im letzten Jahrhundert jetzt glaubhaft und konsequent ist, kann Frieden in Europa einkehren. Und Frieden in der Welt. Zeit für halbherzige Lösungen ist jetzt nicht. Hoffentlich denkt man noch einmal nach im Bundeskanzleramt.
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Zusatz-Info: Eine Aussetzung von Swift in Russland würde übrigens nicht automatisch bedeuten, dass Unternehmen aus Deutschland und der EU das Geld von russischen Schuldnern nicht mehr zurück erhalten würden. Nur kurzfristig nicht, mittel- oder langfristig durchaus, pacta sunt servanda; sofern in Russland überhaupt noch Rechtssicherheit gewährleistet ist, was man aufgrund der aktuellen Lage allerdings bezweifeln darf.