Vor ein paar Monaten, als die Pandemie in Deutschland begonnen hatte, begriff die Öffentlichkeit, dass Menschen in systemrelevanten Berufen irgendwie viel zu wenig Geld verdienen.
Beispielsweise Kassiererinnen und Kassierer.
Das hatte zur Folge, dass systemrelevante Berufe auch weiterhin zu wenig Geld verdienen.
Dies mag zunächst zynisch klingen und ist auch zynisch, folgt aber einer wirtschaftlichen Logik. Denn derjenige, der es sich aufgrund seiner prekären Verhältnisse einfach nicht leisten kann, eine gefährliche Arbeit abzulehnen, muss weiterhin arbeiten. Er stützt weiterhin das System. Er bleibt also systemrelevant, ob er will oder nicht.
Systemrelevant ist man also nicht unbedingt deswegen, weil man will, sondern auch, weil man muss.
Ja, das finden wir zwar schon ein bisschen ungerecht. Aber andererseits wollen wir doch alle auch schön billig einkaufen und Gewinne mit unseren Aktien machen. Oder.
Allerdings muss man nun der bisherigen Argumentation ein bisschen entgegensteuern. Denn es gibt auch andere systemrelevante Berufe, bei denen Menschen zwar mehr verdienen, aber auch nicht so viel, dass sie einfach aus dem Beruf aussteigen könnten. Es sind dies beispielsweise Ärzte und Ärztinnen, Lehrer und andere Beamte und noch weitere Berufsgruppen, die viel im Kontakt mit anderen Menschen kommen. Trotz eines höheren Gehaltes können sie auch nicht so einfach aus ihrer Arbeit aussteigen.
Aussteigen aus der Gesellschaft können im Grunde nämlich nur diejenigen Menschen, die so viel Geld oder Kapital oder Immobilien im Hintergrund haben, dass ihnen das Geldverdienen egal ist.
Die Frage, die sich die Gesellschaft stellen könnte, wäre also die, was ein jeder Mensch zum Leben braucht und ob er das nicht in einem jedem Beruf verdienen können sollte.
Allerdings ja, wir alle möchten es immer schön billig haben. Drum stehen wir uns mit dieser Forderung natürlich selbst im Weg.
Einerseits finden wir es nicht in Ordnung, wenn Menschen, die eine ermüdende und langweilige Arbeit haben, wenig Geld verdienen, andererseits sind wir fast alle an das Leistungsprinzip gewohnt, wonach derjenige, der sich anstrengt, auch mehr verdient. Hierbei wird beispielsweise impliziert, dass es anstrengender ist, ein Studium, in dem man noch kein Geld verdient und dessen erfolgreicher Ausgang ungewiss ist, durchzuziehen und Examina und Prüfungen zu absolvieren, als wenn man eine kurze Ausbildung macht und dann schnell an der Kasse sitzt, wo man ab sofort Geld verdient. Und man muss sagen, diesem Gedanken wohnt ja auch einiges an Wahrheit inne.
Insofern ist es schwierig, generell die Zustände in der Gesellschaft zu kritisieren, wenn wir aber andererseits in unserer Gedankenwelt den Voraussetzungen dieser Zustände zustimmen. Und wir stimmen diesen Prinzipien meistens deswegen zu, weil wir sie für richtig halten. Und vielleicht auch deswegen, weil sie so verkehrt nicht sind.