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Zur sogenannten deutschen Leitkultur

Je rechter ein Wähler oder eine Partei angesiedelt ist, desto lauter wird der Ruf danach, Deutschland solle doch deutsch bleiben. Der Ruf impliziert die verklärte Rückwendung in eine imaginierte, gute, alte Zeit, in der man als Deutscher noch gewusst habe, was denn deutsch sei.

Wenn man aber genauer darüber nachdenkt, was denn diese Leute eigentlich wollen, so fällt dieses gedankliche Kartenhaus schnell in sich zusammen. Denn was ist eigentlich deutsch?

Ist gemeint, dass Deutschland gewisse Gerichte als deutsch deklarieren soll? Beispielsweise Bratwurst mit Pommes? Schweinebraten? Kohlrouladen? Eisbein mit Sauerkraut? Currywurst rot-weiß? Pfälzer Saumagen?

Oder ist heutzutage derjenige deutsch, der die Sünden der Vorfahren überwunden hat und sich um flüchtende Menschen kümmert und sie willkommen heißt? Oder ist es umgekehrt deutsch, einfach ausländerfeindlich, intolerant und rassistisch zu sein, weil dies ja in der sogenannten guten, alten Zeit, dem 20. Jahrhundert, immer wieder zu Tage tat? Ist es deutsch, mal wieder einen Weltkrieg mit über 55 Millionen Toten anzuzetteln? Oder ist es deutsch, eine knappe Million Flüchtlinge an den Grenzen mit Waffen und Blutvergießen davon abzuhalten, ihrem Leid zu entrinnen?

Ist es deutsch, einen Volkswagen zu fahren, auch, wenn der Konzern sämtliche Deutsche und letztlich fast die ganze Welt betrogen hat? Oder ist es deutsch, einen Opel zu fahren und im Auto den Hut auf zu behalten, einen Mercedes vielleicht, oder gar einen Porsche, allerdings erst, wenn man 50 plus ist und damit 20 jährige, willige Mädchen angelt? Ist es vielleicht deutsch, einen Seat zu fahren, der ja auch zur Volkswagengruppe gehört, oder ist dies schon Sünde, weil es ja keine urdeutsche Marke im eigentlichen Sinne ist?

Ist es deutsch, rassistisch zu sein, wie es im letzten Jahrhundert so der Fall war? Oder ist es deutsch, tolerant zu sein, was man ja aus den Folgen des Zweiten Weltkriegs glücklicherweise gelernt hat?

Oder ist gemeint, dass jeder fortan nur noch Schiller und Goethe lesen soll? Die meisten Befürworter einer derart radikalen Leitkultur würden wohl schon nach dem ersten Satz eines der genannten Literaten gedanklich derart ermatten, dass sie ihre verdorbenen Ideen sofort fallen ließen.

Ist es deutsch, seinen Urlaub am Ballermann zu verbringen? Oder auf Rügen? Bielefeld? Südtirol, oder ist das schon zu weit aus dem Fenster gelehnt? Thailand, wo man günstig für billiges Geld zwielichtige Dienstleistungen in Anspruch nehmen und Menschen ausbeuten kann? Ist es deutsch, in Spanien Urlaub zu machen, oder ist die Sprache einfach viel zu undeutsch dort?

Wer auch immer meint, es müsse eine deutsche Leitkultur geben, übersieht, dass Deutschland mittlerweile glücklicherweise ein insgesamt doch recht tolerantes Land ist. Und dass es die eine Leitkultur nicht geben kann, zumindest nicht in einer Demokratie. Die einzige Staatsform dafür wäre wohl die Diktatur. Dann wäre es aber doch besser und folgerichtiger, nach Nordkorea auszuwandern, anstatt hierzulande gegen Andersdenkende zu polemisieren.

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