Unter dem Druck der Verhältnisse packte ein Radsportler nach dem anderen aus. Sie alle waren gedoped. Und Erik Zabel gesteht es heute. Er war in der “glücklichen” Position, dass er das Doping, die Epo-Zufuhr nicht vertrug – deswegen hörte er nach einer Woche wieder auf. Moralisch gebrandmakt ist er aber dennoch. Doch was ist es, was die Menschen bewegt, Schuldgefühle zu bekommen ?
Es ist vielleicht einerseits ein Bauchgefühl, aus dem heraus sie wissen, dass das, was sie tun, verkehrt ist. Es ist andrerseits eine Prägung durch die Sozialisation, die sie wissen lässt, was gut und was schlecht ist.
Und im christlichen Sinn ist es sicherlich auch das Wissen, dass der Mitmensch irgendwo genauso wertvoll ist, wie man selbst. Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan, sagt Jesus. Wenn man nun der christlichen Botschaft folgt, nach der Gott selbst sich in Jesus zeigte, dann wird die ganze Sache noch eine Spur unangenehmer: irgendwo belügt man fast Gott.
Nun ist es sicherlich nicht das Gottesbild eines überwachenden “Übervaters”, eines “Big brother”, der alles sieht und vor dem man deshalb kuschen muss und der einem Menschen ein schlechtes Gewissen einhaucht. (Jesus vermittelte ein anderes Gottesbild, das eines liebenden Gottes.) Es ist aber wohl vielmehr das Wissen, dass man selbst nicht gerne betrogen wird. Und dass man als Betrüger fortan mit einem Geheimnis leben muss, das es zu hüten gilt. Ein Geheimnis, das niemand wissen darf und das auf einem lastet. Mitunter: schwer lastet.
Neben all den möglicherweise opportunistischen Erwägungen, warum im Radsport nun heute diese öffentliche Entschuldigung kam, ist es sicherlich gerade auch diese innere Stimme, die einen Erik Zabel nicht mehr ruhen lässt. Es ist die Stimme, die sagt: behandle Deinen Mitmenschen so, wie auch Du behandelt werden willst. Und wenn Du das tust, dann wirst Du frei leben können, auch, wenn Du Nachteile hast.
Eine optimistische Sicht. Denn oft wird sie von dem Streben nach Vorteilen überlagert. Aber eine Sicht, die in die innere Freiheit führen kann. Allerdings ist dies kein Freibrief dafür, anderen Menschen die “Wahrheit” um die Ohren zu schlagen. Man muss sicher abwägen, wer welche Wahrheit vertragen kann. Dem Bedürfnis, endlich eigene Untaten zu gestehen, steht das Bedürfnis Anderer gegenüber, von mancherlei “Wahrheit” und manchem Geständnis verschont zu bleiben.
Im aktuellen Radsportfall jedoch geht es um ein Geständnis, das sicher überfällig ist: denn es ermöglicht vielleicht einen Weg, den Radsport wieder zu etwas zu machen, was er einmal sein sollte: Sport – und nicht ein Wettbewerb der Pharmaindustie, keine rollende Apotheke. Auch, wenn dies wohl mehr ein Wunsch bleiben dürfte. Denn ethisches Denken und Moral hören schnell dort auf, wo die eigenen Interessen beginnen. Ob dies aber immer so sein muss ist die Entscheidung eines jeden Einzelnen. Also auch die Ihre – in Ihrem Alltag, bei Ihren Mitmenschen und in Ihrem ganz persönlichen Leben.
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