Lust auf eine schöne Weihnachtsgeschichte? Aber was für eine? Die biblische Geschichte ist ja zuallererst einmal überhaupt nicht schön.
Die Römer hatten militärisch die damals bekannte Welt erobert, so auch die Provinzen Judäa und Galiläa, in welchen dann die Geschichten von Jesus stattfinden werden. Die Gegend, in der Maria und Josef wohnten, war so sehr unter dem militärischen Drill der Römer, dass die beiden zu einer vom Kaiser angeordneten Volkszählung aufbrechen mussten, obwohl Maria schwanger war. Und eine Herberge fanden sie zudem auch nicht, stattdessen musste Maria ihr Kind in einem Stall zur Welt bringen.
Und heute? Heute würden Sie wahrscheinlich dementsprechend erwarten, dass man die aktuelle Geschichte einbezieht. Der russische Imperialismus bedroht den Frieden in der Europäischen Union und in Europa. Maria und Josef würden vielleicht Maria und Iosep heißen, wären vielleicht aus dem Vorort von Kyjiw mit dem Namen Butscha gerade in letzter Not den russischen Massakern entkommen, hätten es vielleicht in die Europäische Union geschafft und, wenn es ganz gut gelaufen wäre, dort vielleicht in einem Flüchtlingslager zwei Betten bekommen. Dort hätte Maria dann Jesus geboren. Es wären nicht die Hirten gewesen, die zuallererst von der Geburt etwas mitbekommen hätten, sondern vielleicht die anderen geflüchteten Menschen in dem Lager, die Sozialarbeiter, die dort tätig waren, vielleicht auch noch ein paar Polizisten. Und einem von diesen Leuten oder mehreren wäre dann aufgefallen, dass in dieser Geburt inmitten dieser schrecklichen Zeit eine große Hoffnung liegt.
Die Römer ihrerseits terrorisierten noch jahrhundertelang diejenige Religion, die nach der Geburt Jesu Christi entstand, die Christen. Christenverfolgungen, Tierhetzen. Doch irgendwann waren die christlichen und friedlichen Gedanken dieser Religion in die Köpfe der Menschen eingesickert und hatten Europa christlich geprägt. Zwar war dies nicht immer eine Garantie für Frieden, es gab auch Entgleisungen im Rahmen politischer Machtinteressen, wenn man beispielsweise an die Kreuzzüge denkt. Aber letztlich hat das Christentum doch Europa geprägt und auch das römische Rechtssystem, welches sich weiter entwickelte und im Laufe der Jahrhunderte dann zusammen mit der christlichen Ethik irgendwann zu den allgemeinen Menschenrechten führte.
So könnte man sich das vielleicht auch bei Russland wünschen, wenngleich dann einige Jahrhunderte der Gräueltaten erst mal auszuhalten wären. Doch in Russland gibt es ja bereits die orthodoxe russische Kirche, die sich allerdings gerade auf Abwegen befindet, weil sie nicht etwa die Menschenrechte verteidigt, sondern die russischen Machthaber in ihrem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg segnet und unterstützt.
Also nicht viel Hoffnung in unseren Zeiten. Doch die Hoffnung würde vielleicht tatsächlich in der Geburt des kleinen Kindes Jesus liegen, in dem Wunder, das in der Geburt eines jeden Menschen liegt. Die Hoffnung würde darin liegen, dass aus solch einem kleinen Menschen nicht etwa ein Kriegsverbrecher werden würde, sondern einer, der die Welt, wie Jesus es tat, in einer derart positiven Weise verändern würde, dass diese Hoffnung über Generationen andauern würde. Die Hoffnung würde zudem auch darin liegen, dass die Welt in ihrem Schrecken nicht so bleiben müsste, wie sie derzeit ist, sondern dass sie sich zum Positiven hin entwickeln kann.
Und eine Hoffnung, welche die Menschen aber wahrscheinlich erst nach und nach verstehen würden, wäre zugleich auch eine der zentralen Aussagen der Weihnachtsgeschichte: Inmitten der Dunkelheit zeigt sich das Göttliche, inmitten dieser zerrissenen Welt zeigt sich das Licht der Welt: