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Architekten unter sich

Vor langer Zeit, in einem anderen Leben, machte ich einmal ein längeres Praktikum in einem Architekturbüro.

Die Dame, schon etwas älterer Bauart, der das Büro gehörte, fragte mich dann eines Tages, ob ich denn nicht am Wochenende arbeiten könne, kostenlos natürlich. Am besten gleich an mehreren Wochenenden. Oder vielleicht sogar für immer und alle Ewigkeit.

Das hätte ihr durchaus gefallen. Sie war außerdem Schwäbin, um hier das Klischee zu erfüllen. Manchmal bestätigt das Klischee tatsächlich den Einzelfall.

Mir hatte ihre Idee nicht so gut gefallen. Ich arbeitete nicht am Wochenende. Und kostenlos schon gleich gar nicht.

Da war sie traurig.

Froh war ich.

Ich sagte es ihr nicht, aber ich dachte es mir: weißt du, nette Frau, in meiner privaten Freizeit, unbezahlt, habe ich durchaus Besseres zu tun, als in deinem langweiligen Büro für umsonst Pläne zu schrubben. In deinem Büro, von dem du nicht einmal weißt, ob es morgen noch existiert, ob morgen noch ein Auftrag vorhanden ist.

Nein, das Wochenende gehört mir. Privat ist privat.

Ich wünsche dir viel Spaß, in deiner Arbeitswelt. Heute bist du vielleicht in Rente, falls du sie erreicht hast. Die Rente. Mit deinen Wochenenden, die du gearbeitet hast.

Ich weiß, du bist in gewisser Weise nur ein Produkt der Zustände und Umstände.

Aber nein, ich wollte kein Produkt der Zustände und Umstände sein. Dafür war ich mir zu wertvoll. Gott hatte mich geschaffen. Dich übrigens auch. Hast du je darüber einmal nachgedacht? Vermutlich leider nein. Sonst hättest du das mit dir nicht machen lassen. Das, was die Zustände und Umstände von dir verlangten. Denn man kann auch nein sagen, zu den Zuständen und Umständen. Das kann man.

Mittlerweile ist es zwanzig Jahre her, dass ich meinen Beruf als Architekt verlassen habe. Bereut habe ich es nie. Gott schenkte mir ein neues Leben.

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