Der russische Antisemitismus hat eine lange und komplexe Geschichte, die sich über Jahrhunderte erstreckt.
Frühe Geschichte bis zum 19. Jahrhundert
- Frühe Anfänge: Antijüdische Gefühle existierten in Russland bereits im Mittelalter, oft verbunden mit religiösen Vorurteilen und Mythen.
- Unter dem Zarenreich: Diese Vorurteile wurden im Zarenreich institutionalisiert. Juden wurden oft als Sündenböcke für soziale und ökonomische Probleme dargestellt.
19. Jahrhundert bis zum Fall des Zarenreichs
- Pogrome: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zu zahlreichen Pogromen gegen Juden, oft mit stillschweigender oder offener Unterstützung der zaristischen Regierung.
- Einschränkungen: Juden waren verschiedenen Einschränkungen unterworfen, darunter Wohnsitzbeschränkungen im so genannten “Ansiedlungsrayon”.
Sowjetära
- Anfängliche Hoffnungen: Die Oktoberrevolution von 1917 weckte zunächst Hoffnungen auf Gleichberechtigung, da die Bolschewiki gegen Antisemitismus zu sein schienen.
- Stalins Herrschaft: Unter Stalin verschärfte sich die Situation wieder. Es kam zu antisemitischen Säuberungen und Kampagnen, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion
- 1990er Jahre: Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gab es einen Aufschwung nationalistischer und antisemitischer Gruppierungen in Russland.
- Regierungsposition: Obwohl die russische Regierung offiziell Antisemitismus ablehnt, gibt es Berichte über staatliche Duldung oder indirekte Unterstützung antisemitischer Gruppen.
Bis 2023
- Aktuelle Situation: Die antisemitischen Tendenzen in Russland sind weiterhin präsent, obwohl ihre öffentliche Erscheinungsform variieren kann. Es gibt sowohl offizielle Verurteilungen von Antisemitismus als auch Berichte über antisemitische Vorfälle und Rhetorik.
- Internationale Beziehungen: Russlands Beziehung zu Israel und zur jüdischen Gemeinschaft weltweit ist komplex und oft von der internationalen Politik beeinflusst.
Der russische Antisemitismus ist tief in der historischen, kulturellen und politischen Landschaft des Landes verwurzelt. Trotz offizieller Ablehnung und internationaler Kritik bleiben antisemitische Einstellungen und Vorfälle ein wiederkehrendes Thema in der russischen Geschichte bis in die Gegenwart.
In einem Artikel von Michael Thumann, veröffentlicht am 20. Oktober 2023 auf “Zeit Online”, wird die Nutzung von antisemitischen Rhetoriken und Strategien durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin im Kontext seines Krieges in der Ukraine und seiner internationalen Politik beleuchtet. Der Artikel beschreibt, wie Putin traditionelle antisemitische Ressentiments in Russland instrumentalisiert, insbesondere im Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Hamas und Israel. Trotz eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs wegen der Verschleppung von Kindern aus der Ukraine, erhält Putin Unterstützung von Chinas Präsident Xi Jinping und nutzt internationale Plattformen, um seine politische Agenda zu fördern.
Der Artikel hebt hervor, dass Putin den Nahostkonflikt nutzt, um seinen Krieg in der Ukraine voranzutreiben und international gegen Israel und die USA Stimmung zu machen. Er zieht dabei Parallelen zwischen der Blockade von Gaza und der historischen Blockade Leningrads, was als Ausdruck tief verwurzelter antisemitischer Stereotypen in Russland gedeutet wird. Zusätzlich wird auf Aussagen des russischen Außenministers Sergei Lawrow verwiesen, der behauptete, Adolf Hitler habe jüdisches Blut gehabt. Diese Aussagen sind Teil einer breiteren antisemitischen Rhetorik innerhalb der russischen Elite.
Darüber hinaus wird in dem Artikel die Rolle der russischen Propaganda gegen Juden, insbesondere gegen jene, die 2022 nach Israel geflohen sind, kritisch betrachtet. Die Chefredakteurin von Sputnik, Margarita Simonjan, wird als Beispiel für hetzerische Aussagen gegen jüdische Flüchtlinge genannt. Der Artikel legt nahe, dass dieser Antisemitismus in der russischen Elite machtpolitisch motiviert ist, um den Fokus von Russlands militärischen Aktionen in der Ukraine abzulenken und diese zu eskalieren.
Zudem wird Russlands Haltung zu Syrien, Iran und der Hamas beleuchtet. Russland unterstützt laut dem Artikel die Achse Syrien-Iran und steht damit auch aufseiten der Hamas. Diese Beziehung wird im Kontext von Russlands Rolle in Syrien und den Waffenlieferungen aus dem Iran für den Krieg in der Ukraine dargestellt.
Zusammenfassend zeigt Thumanns Artikel auf, wie antisemitische Rhetorik und Vergleiche von der russischen Führung genutzt werden, um politische Ziele zu erreichen und internationale Konflikte zu beeinflussen. Dies trägt zur Verstärkung antisemitischer Tendenzen in Russlands Außenpolitik bei und offenbart die komplexen Verbindungen zwischen innenpolitischen Strategien und internationalen Beziehungen.