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Saudi Arabien: Nicht gleich den Kopf verlieren

Ist es eigentlich schlimm, wenn es einen Krisenherd mehr auf der Welt gibt? Vermutlich schon, aber die in Europa gefühlte Unsicherheit wird natürlich auch nicht beseitigt, wenn es einen weniger gibt.

Im Iran ist man neuerdings gegen Hinrichtungen, zumindest, wenn sie an einem iranischen Geistlichen vollzogen werden. Es ist also keine prinzipielle Sache, sondern eine situative. Und auch die EU ist not amused, weil eben erst in Saudi-Arabien 47 Todesurteile an nur einem Tag vollsteckt wurden. Das braucht man nicht schön finden, es ist auch nicht schön, allerdings braucht die EU nicht in großer Verwunderung darüber zu agieren. Man weiß doch schon lange, dass in Saudi-Arabien etwas andere Gesetze gelten, als in der EU. Kritisieren kann man das natürlich, wäre da nicht dieses geile, billige Erdöl, das man aus Saudi-Arabien bezieht und das nun auch mit dazu beiträgt, dass man an der Tankstelle wieder viel weniger in die Tasche greifen muss. Sind insofern die 47 Delinquenten für einen guten Zweck gestorben, für billiges Benzin? Nun, gut dass die EU sich aufregt, aber mehr als ein bisschen populistisches Raunen wird es wohl hierzulande nicht geben. Zumindest nicht, bevor man hier auf Elektroautos umgestiegen ist und das Erdöl einem im großen Stil doch recht egal sein kann. Will heißen, vielleicht in 30 Jahren. Quantitativ betrachtet ist die Hinrichtung von 47 Menschen an einem Tag natürlich allerhand und es ist tatsächlich auch grauenvoll, was da in Saudi-Arabien passiert ist. Qualitativ jedoch unterscheidet es sich ja eigentlich nicht von anderen strategisch Verbündeten wie den USA, die ja in einigen Staaten auch noch die Todesstrafe vollziehen. Das soll nun kein USA-Bashing sein, zumal die USA doch eine der am längsten existierenden Demokratien besitzt und sich somit natürlich diametral von Saudi-Arabien unterscheidet. Aber es sollte doch darauf hingewiesen werden, dass eben nur ein quantitativer Unterschied bei den Hinrichtungen besteht, kein qualitativer. Qualitativ nämlich würde bedeuten, dass bereits ein Menschenleben eines zu viel ist. Ach ja, das Ganze lässt sich natürlich auch mit dem christlichen Menschenbild begründen, wonach der Mensch als Ebenbild Gottes gesehen wird. Ein eben solches sollte man natürlich nicht einfach ermorden oder gar hinrichten oder exekutieren oder kreuzigen. Das hatten bereits die Römer nicht ganz verstanden, als sie Gott höchstpersönlich, der damals Jesus hieß, ans Kreuz schlagen ließen. Seine Gedanken konnten damit auch nicht beseitigt werden, ganz im Gegenteil. Das Christentum stellt heute mit 2,1 Milliarden Gläubigen die größte Weltreligion. Auch bei Cicero, römischem Konsul, Staatsmann und Philosophen, ging die Ermordung desselben insofern schief, als seine Schriften bis heute gelesen werden. Ebenso sind die Geschwister Scholl heute in den Köpfen der Menschen stets und weiterhin noch allgegenwärtig.

Freiheitliche Gedanken kann man nicht töten. Durch Repression stärkt man sie nur. Hinrichtungen sind letztlich ein Versagen des menschlichen Geistes und der Menschlichkeit, sie fördern den Hass, die Wut, den Krieg. Vielleicht denkt man in der EU ja auch übermorgen noch daran. Auch dann, wenn die Zeitungen schon wieder beim übernächsten Thema sind. Und vielleicht auch an der Tankstelle. Vielleicht. Wahrscheinlich aber nicht.

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