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Warum Persönlichkeitsentwicklung nichts für Feiglinge ist.

 photo credit: Marooned

Von Roland Kopp-Wichmann. Immer wieder werde ich gefragt, warum meine Website und mein Blog den Titel trägt:

„Vorsicht: Persönlichkeitsentwicklung !“

Zum einen hat das natürlich marketingtechnische Gründe. Immer wenn man Menschen vor etwas warnt, glauben Sie es erst mal nicht und werden erst recht neugierig.
(Sage einem einem Menschen, dass sich eine Billion Sterne am Firmament befinden und er glaubt dir. Sage ihm, die Parkbank ist frisch gestrichen und er muß sie anfassen um dir zu glauben. – Mario Puzzo )

Aus dem selben Grund haben ja auch die Warnhinweise auf Zigarettenpackungen keine – oder eher gegenteilige – Wirkung. Interessanter Gedanke: Wenn aber jetzt auf den Dosen für Katzen- oder Hundefutter der Hinweis stünde: „Vorsicht: dieses Futter kann für Ihr Tier zu einem langen und schmerzhaften Tod führen.“ Was würde der verunsicherte Käufer tun?

Aber, ich schweife ab.

Persönlichkeitsentwicklung ist nichts für Feiglinge, weil Sie zwangläufig zur Veränderung führt. Das hat natürlich etliche Vorteile. Vor allem, dass es die Anzahl der Wahlmöglichkeiten erhöht.

Denn jedes Verhalten, das wir Menschen in einer beliebigen Situation zeigen, ist ja für uns immer die beste Wahl.

  • Also wenn Sie Ihr Auto ins Halteverbot stellen, bei der Rückkehr einen Strafzettel vorfinden – und sich dann tierisch aufregen („Hat denn die Polizei nichts Wichtigeres zu tun als …?“
  • Oder wenn Ihr Chef Sie fragt, ob Sie morgen Überstunden bis 22 Uhr machen können – und Sie einen wichtigen Elternabend Ihres schulschwachen Sohnes vortäuschen.
  • Oder wenn ein Islamist sich und andere Menschen in die Luft sprengt.
  • Oder wenn Politiker vor einer Wahl zehnmal versprechen, mit einer Partei nicht zu koalieren und es dann hinterher doch erwägen.
  • Oder wenn US-Präsident Bush …

Noch einmal: Jedes Verhalten, das ein Mensch zeigt, ist die beste Wahl aus seinen ihm in diesem Moment zur Verfügung stehenden Wahlmöglichkeiten. Nicht dass es nicht andere, „bessere“ Möglichkeiten gäbe – aber nach der individuellen Kosten-Nutzen-Rechnung dieses Menschen – eben nicht.

  • Der Autofahrer könnte sich sein Fehlverhalten eingestehen und darüber enttäuscht sein, dass er seine Wette („Werde ich erwischt oder nicht?“) verloren hat.
  • Der Mitarbeiter könnte seinem Chef einfach sagen, dass er zwar Zeit hätte aber lieber seinen Feierabend genießen möchte.
  • Der Islamist könnte sich damit auseinandersetzen, dass es im Leben selten gerecht zu geht und zweiundsiebzig Jungfrauen auch anstrengend werden können.
  • Der Politiker könnte einfach sagen, dass habe er/sie vor der Wahl nur gesagt, um seine/ihre Wahlchancen zu erhöhen.
  • Oder ein US-Präsident könnte sich bewusst machen, … (Nein, das kann er einfach nicht, tut mir leid.)

Persönlichkeitsentwicklung führt zu mehr Verhaltensalternativen, weil man beginnt, die wahren Ursachen und Motive seines Handelns zu ergründen, besser zu verstehen und sich damit auseinandersetzt. Das ist zuweilen harte Arbeit, die einen auch emotional ziemlich fordern kann. Aber es lohnt sich!

Denn es ist auch die Chance, aus kindlichen Prägungen und pubertären Verhaltensstrategien auszusteigen, einfach weil man überhaupt erkannt hat, dass man drinsteckte. Denn wir alle (ich auch) sind von solchen „Programmierungen“ oder Einflüssen aus unserer Biografie stark beeinflusst.

Aber wie alles im Leben hat auch Persönlichkeitsentwicklung – und die damit einhergehenden positiven Veränderungen – ihre Preis. Deshalb hier zehn Warnungen, warum

  1. Vorsicht: Sie werden mehr Selbstverantwortung übernehmen.funny pictures
    Das kostet Sie die Möglichkeit, für etwas was schief lief, ganz schnell anderen (oder den Umständen) die Schuld zuzuschieben. („Ich sage nicht, dass es Ihr Fehler war. Ich sage nur, ich mache sie dafür verantwortlich“) Mit anderen Worten, eine Karriere als Politiker wird unter Umständen schwierig.
    Auf der anderen Seite lernen Sie, sich einerseits besser gegen Schuldzuweisungen anderer abgrenzen zu können. Auf der anderen Seiten haben Sie weniger Angst, ihren eigenen Anteil zu entdecken, wenn etwas schief gegangen ist. Und Sie bekommen auch mehr Vertrauen in ihre eigene Kreativität und Handlungsfähigkeit, weil Sie Ihre Ängste besser kennen und angemessen damit umgehen können.
  2. Vorsicht: Sie werden toleranter gegenüber anderen werden.
    Persönlichkeitsentwicklung beinhaltet auch immer eine Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie. Wer sich daran erinnern kann, wie er als Kind oder als Jugendlicher war, hat die Chance, auch seinen eigenen (oder fremden) Kindern gegenüber nachsichtiger zu sein.
    Wer sich besser in all seinen Facetten kennenlernt, muss aggressive, neidische oder arrogante Anteile weniger auf andere Personen projizieren, weil er eben dies auch bei sich selbst kennt – und die Angst dahinter besser annehmen kann.
  3. Vorsicht: Sie werden spüren, dass Ihr Leben begrenzt und zerbrechlich ist.
    Um erfolgreich zu sein, bedarf es oft eines gehörigen Maßes an Selbstentfremdung. Einfach um über viele Jahre Anstrengung, Stress und Frustrationen wegstecken zu können – und dabei noch gut zu funktionieren. Die gleichzeitig vorhandene Sehnsucht nach Lebendigkeit, Lust und einem unabhängigen Leben muss dann oft abgespalten und verdrängt werden – auf irgendwann später.Doch spätestens in einer heftigen Krise, ausgelöst durch geplatzte Karriereträume, eine Scheidung oder eine Krankheit spürt man, dass sich das Leben nicht um unsere Zehn-Jahres-Pläne schert. Wir realisieren, dass das Leben nur „jetzt und hier“ wirklich real ist. Wir realisieren, dass sich das Leben nicht aufschieben oder nachholen lässt.
  4. Vorsicht: Sie werden entdecken, dass Ihr Partner auch recht hat.
    In jeder längeren intensiven Liebesbeziehung kann man sich nicht verstecken. Der andere sieht uns Tag für Tag, wie wir wirklich sind. Nicht nur in Unterhosen oder ungeschminkt. Er kriegt auch mit, wie wir in Konflikten reagieren, womit wir am meisten Zeit verbringen und was wir vor anderen Menschen zu verstecken suchen.
    Meist in Streits erfahren wir von unserem Partner, was er/sie über uns und unser Verhalten denkt. Das ist zumeist nicht die Wahrheit, denn unser Partner sieht uns auch durch die Brille seiner Erwartungen und Bedürfnisse. Aber: aus meiner Erfahrung als langjähriger Ehemann und Paartherapeut weiß ich: es ist immer was dran.
    Um nun zu unterscheiden, wieviel von dem stimmt, was der andere uns spiegelt, ist es wichtig, sich selbst genügend zu kennen. Kenne ich mich zu wenig, werde ich automatisch das, was der andere mir sagt und was mit meinem Selbstbild nicht übereinstimmt, heftig abwehren müssen. Kenne ich das, was der andere mir sagt, ist es zwar immer noch unangenehm, aber ich muss es nicht mehr so stark – beim anderen – bekämpfen.
  5. Vorsicht: Sie werden etwas misstrauischer gegenüber Religionen und obskuren Heilslehren.Humorous Pictures
    Wer sich ernsthaft mit sich selbst auseinandersetzt, entdeckt, dass die eigene Psyche nicht ein abgeschlossenes, festes Ding ist, sondern bestenfalls eine Sammlung von unterschiedlichsten Antrieben, Motiven, Werten, Bedürfnissen, Gefühlen, Meinungen etc. Die sich zudem noch ständig ändern können.Das widerspricht natürlich völlig dem Wunschbild einer festen Persönlichkeit, das die meisten von uns haben. Vor allem mit den sogenannten bösen oder schlechten Teilen oder Trieben in sich versöhnen wir uns erst mal schwer fallen. Deshalb braucht es bei den meisten Menschen jemanden oder etwas, auf den oder das man diese schlechten und bösen Teile projizieren kann. Das ist ungeheuer praktisch, seelisch entlastend und – wenn man zur „richtigen“ Gruppe gehört – auch sehr verbindend.
    Fast alle Religionen bedienen sich dieses Mechanismus. Auch alle politische Parteien – in jedem Land – tun dies. Aber auch weniger wichtige Gruppen wie der ADAC oder der Verein gegen betrügerisches Einschenken. Wer sich selbst besser kennt, weiß um die Bedeutung von Über-Ich-Anteilen, und kann sehen, wie sehr moralische Wertungen von der entsprechenden Rolle, der jeweiligen Kultur und der jeweiligen Absicht abhängen.
  6. Vorsicht: Sie werden vielleicht ihren Frieden mit ihren Eltern machen.
    Manche Menschen brauchen ja zur Bewältigung des Lebens (oder der eigenen Ängste davor) unbedingt ein verlässliches Feindbild. Bei meinen Eltern – und in der Nachkriegszeit – war das noch „der Russe!“.
    Mittlerweile wurde der abgelöst durch „die Chinesen“, „die Linke“ oder den „islamistischen Terror“
    Aber für viele Menschen sind das in erster Linie auch die eigenen Eltern. Der Vater, der immer zuviel trank und dann prügelte oder der Vater, der seinen gnadenlosen Ehrgeiz auch auf seine Kinder übertrug. Oder die überfürsorgliche-kontrollierende Mutter, die dem erwachsenen Sohn noch vorhält, dass er nie mit Geld umgehen konnte. Wie hier Dieter Nuhr leidvoll zu berichten weiß: Seinen Frieden machen heißt nicht, die Eltern zu idealisieren („Ich hatte eine glückliche Kindheit.“) oder erlittene Situationen zu rationalisieren („Meine Eltern wussten es nicht besser.“). Vielmehr geht es darum, die Eltern so realistisch wie möglich zu sehen. Das ist einem als Kind aufgrund der Abhängigkeit schwer möglich. Und als Erwachsener verwandeln sich die meisten Menschen schon nach einer Stunde des Zusammenseins mit ihren Eltern wieder in das gehorsame Kind oder den rebellierenden Vierzehnjährigen von damals. (Bei manchen reicht für diese Wandlung auch schon ein zweiminütiges Telefonat.)

Sie sehen, es steht einiges auf dem Spiel, wenn Sie sich dafür interessieren, Ihre Persönlichkeit zu entwickeln.

Was ist Ihre Meinung diesem Thema?
Welche Erfahrung haben Sie mit Persönlichkeitsentwicklung – und auf welche Weise – gemacht.

 

Katzenfotos: crazy cat pics

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4 Kommentare

  1. chrigi

    meine meinung? jeder ist für sein leben selber verantwortlich! gut kinder brauchen den schutz und die unterstützung von einer erziehung-person! aber ich hab gelernt, dass es auch verschiedene ansichten über das gibt, was man meint erlebt zu haben…… da können zwei geschwister eine absolut gegensätzliche meinung über ihre eltern haben (z.b.)……..

  2. theolounge

    Sehe ich ähnlich: jeder ist zwar für sein Leben selbst verantwortlich, aber nicht jeder kann diese Selbtverantwortung umsetzen. Um dies zu können, ist es hilfreich, über sich selbst etwas zu lernen, zb in welche Fallen man gern immer wieder tappt. Man kann also lernen, das eigene Verhalten zu ändern. Hilfreich ist dafür, wenn nicht gar Voraussetzung, dass man erst einmal Einsicht in das eigene Verhalten und die Beweggründe gewinnt.

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