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Sind alte Freunde auch gute Freunde?

Es kommt drauf an. Optimalerweise natürlich schon. Aber es kann auch anders sein.

Eine alte Freundschaft ist eine mit Freunden, die man sehr lange kennt und deren Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen man sehr gut kennt, mit denen man viel erlebt hat und mit denen man also im Hinterkopf einen reichen Erfahrungsschatz teilt, auf den man schnell immer wieder zugreifen kann. Alte Freunde sind also in dieser Hinsicht auch vertraute Freunde.

Eine gute Freundschaft ist, wenn zwei Freunde beide auf das imaginäre Freundschaftskonto einzahlen.

Was müssen sie einzahlen, damit sie eine gute Freundschaft haben? Zeit und Interesse.

Zahlt immer nur einer ein, der andere aber nur ein bisschen oder vielleicht gar nichts, handelt es sich um keine gute Freundschaft.

Eine alte Freundschaft kann also eine gute Freundschaft sein, eine alte Freundschaft kann aber auch nur eine alte und vertraute Freundschaft sein.

Ich muss in dieser Hinsicht an zwei Freunde denken, die ich schon so lange kenne, nennen wir den einen einfach mal Hugo, den anderen Anton, obwohl sie anders heißen.

Unsere Freundschaft war unzertrennlich und so sollte es auch immer bleiben. Dachten wir. Dachte ich. Bis es anders kam.

Hugo wurde irgendwann homosexuell, vermutlich war er es aber schon immer und traute sich irgendwann einmal, sich zu outen. Unsere Freundschaft blieb bestehen.

Hugo kenne ich seit der 9. Klasse, Anton schon seit Ewigkeiten, seit dem Kindergarten.

Nachdem Hugo sich vor vielen Jahren geoutet hatte, fand er einen Partner und heiratete ihn. Der Partner ist ein bisschen kapriziös. Genauer gesagt, er ist einerseits sehr originell, andererseits nimmt er aber praktisch keine Rücksicht auf andere, sondern sieht eigentlich hauptsächlich immer sich selbst und macht das, was er will. Mit Frauen kommt er manchmal gut zurecht, mit einigen Frauen zofft er sich aber auch richtig. Ich kenne mittlerweile drei Frauen, die sich von ihm ganz massiv auf die Füße getreten fühlen, eine davon ist meine.

Mit Hugo und Anton hatte ich früher unglaublich viel unternommen, es schien, als würde die Freundschaft für ewig Bestand haben.

Mit Anton durchlief ich gemeinsam die Kindheit, die Jugend, und obwohl wir irgendwann an anderen Wohnorten wohnten, verbrachten wir den Abi-Urlaub zusammen. Und zusammen mit Hugo und Anton unternahmen wir in unserer Studienzeit viele Urlaube, wir besuchten Anton, der an einem anderen Ort studierte, es war eine Freundschaft die nie enden würde. Sie hielt auch über unzählige Jahre nach dem Studium, als wir alle schon arbeiteten.

Vor einigen Jahren wurde es aber schwierig, mit Hugo etwas zu unternehmen. Es dürften bestimmt 3 Monate gewesen sein, wo ich immer wieder versuchte, ob meine Frau, unser Kind und ich mit ihm und seinem Mann mal etwas unternehmen könnten, aber es gab immer irgendwelche Ausreden, weshalb es angeblich nicht ging. Sie wollten sich am Wochenende ausruhen, so hieß es. Ein Wochenende nach dem anderen Wochenende. Allerdings sind sie nicht die Leute, die sich ausruhen, vermutlich unternahmen sie etwas mit anderen Leuten. Und hier kommt der Mann von Hugo ins Spiel der mit der heterosexuellen Welt von uns irgendwie nicht viel zu tun hat und seinen Hugo aus dieser Welt vermutlich herausholen und davon separieren wollte. Es wurde immer schwieriger, mit den beiden etwas zu machen, aber irgendwann schafften wir es, gemeinsam einen Kurzurlaub zu machen, vier Tage Straßburg. Das Ganze endete in einem Fiasko. Der Freund von Hugo und Hugo taten während unseres gemeinsamen Urlaubs so, als seien sie allein im Urlaub, meine Frau und ich und unser Kind dackelten hinter ihnen her. Es war nicht sonderlich lustig, es war nicht sonderlich freundschaftlich.

Später versuchte ich, mit Hugo noch etwas Kontakt zu halten, das ging vereinzelt auch, aber nur, wenn sein Mann gerade keine Zeit hatte. Hugo versuchte immer, rechtzeitig wieder zu Hause zu sein, und wenn er einmal Zeit hatte, dann höchstens kurz auf dem Weg von der Arbeit abends auf einen Zwischenstopp für zwei oder drei Stunden, aber er wollte dann wieder bei seinem Mann sein. Sein Mann hingegen nahm auf Hugo keine Rücksicht, er machte und macht, was er will.

Auch, wenn ich Hugo immer wieder Bescheid gab, wenn wir etwas in unserem Freundeskreis Unternehmen, abends beispielsweise in den Biergarten gehen oder ein Bier zusammen trinken in einer Kneipe, zog er sich dort immer mehr heraus. Das war scheinbar nicht seine Welt, oder genau genommen war es früher seine Welt und er hat sich da auch wohl gefühlt und würde es wohl auch heute noch, aber es steht zu vermuten, dass sein Mann ihn in seiner Welt haben möchte, in seiner homosexuellen Welt.

Und dann ist noch die Sache mit Anton. Ihn kenne ich seit dem Kindergarten, seit vielen Jahren wohnt er mittlerweile in einer anderen Stadt. Ich hatte all die Jahre immer wieder versucht, ihn zu besuchen, aber weil unsere Ferien unterschiedlich sind, hatte das meistens nur im Sommer für ein paar Tage geklappt. So auch letzten Sommer, wo ich für drei oder vier Tage dorthin fuhr. Ich fuhr dorthin. Nicht er kam.

Dieses Jahr war er mit seiner Freundin in Bayern unterwegs und auf meinen Vorschlag hin trafen wir uns in den Osterferien für einen Tag und wanderten gemeinsam. Es war ein schöner Tag, eigentlich so wie früher. Es bestand eine so große Vertrautheit.

Anton hat sechs Wochen Sommerferien, wobei er in der letzten Woche bereits wieder irgendwelche Sitzungen hat, also eigentlich fünf Wochen. In der ersten Woche machte er irgendetwas, vielleicht mit seiner Freundin, dann fuhr er drei Wochen mit ihr in den Urlaub, und eine Woche hat er nun noch. In dieser Woche kommt scheinbar einer seiner Brüder samt Familie und die Woche drauf kommt scheinbar einer der anderen Brüder, vielleicht mit Kindern, er ist geschieden. Für mich blieb da keine Zeit.

Aber immerhin haben wir dieses Jahr in den Osterferien etwas zusammen unternommen.

Einen Tag.

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