Menü Schließen

Wann ist man eigentlich ein Deutscher?

Eigentlich ist die Antwort sehr einfach. Ein Deutscher ist man dann, wenn man einen deutschen Reisepass oder Personalausweis besitzt.

Manchen Leuten bereitet das aber Unbehagen und sie meinen dann, als Deutscher solle man gelten, wenn man hier schon eine gewisse Zeit gelebt habe und kulturell irgendwie integriert wäre. Man solle vielleicht schon so seit zwei bis drei Generationen in Deutschland leben und sich irgendwie in die Kultur eingegliedert haben.

Allerdings, was ist die Kultur? Man könnte sagen, jahrhundertelang war sie christlich geprägt. Seit Kaiser Konstantin war das Christentum auf dem Vormarsch, die Klöster im Mittelalter waren Hochburgen des Wissens, allerdings eben auch christlich geprägt.

Aber heutzutage? Heutzutage ist Deutschland, was ja eigentlich auch nicht schlecht ist, multikulturell geprägt. Wenn jetzt jemand der obengenannten Ansicht wäre, wie schwer wäre es, überhaupt Deutscher zu werden. Man müsste sich selber hier ansiedeln, sein Leben lang hoffen, nicht abgeschoben zu werden, dann drauf hoffen, dass die Kinder und Kindeskinder hier auch noch leben würden und sich an irgendeine, nicht näher zu definierende, gemeinsame Kultur anpassen würden, um dann vielleicht eben in der dritten Generation endlich einen deutschen Reisepass erhalten zu können.

Prinzipiell wäre es natürlich denkbar, dass ein Staat derartige Regelungen erlassen könnte, glücklicherweise ist es aber nicht so.

Aber wie sollte das dann funktionieren? Kommt dann in der dritten Generation eine Gesinnungspolizei vorbei und überprüft, ob man mit der Mehrheitskultur überein stimmt? Und was wäre dann die Mehrheitskultur? Menschen, die diese These vertreten, können dann nämlich andererseits diese Kultur gar nicht definieren.

Meine Vorfahren mütterlicherseits kamen irgendwo aus dem preußischen Landadel. Adelig von Simken. Aber dort, wo dieses Landgut war, ist heute Polen und zum anderen nur noch Acker. Alles dem Erdboden gleichgemacht. Mütterlicherseits also Flüchtlinge. Gelten die dann als Deutsch, weil sie preußisch waren? Oder hätte dann das Polnische Vorrang, was es ja nach dem Zweiten Weltkrieg wurde? Allerdings wäre ich jetzt die dritte Generation und allmählich könnte dann mal die Gesinnungspolizei vorbeischauen und prüfen, ob ich denn kulturell so angepasst wäre, dass ich hier auch leben dürfte. Es wäre eine ziemliche Zitterpartie. Denn was ist die deutsche Kultur? Ist damit das Königtum gemeint, der preußische Adel, die Religionskriege, die Aufklärung, der Protestantismus, der Atheismus, der Humanismus?

Deutscher ist glücklicherweise nach wie vor, wer einen deutschen Personalausweis besitzt.

Von Vorteil ist es natürlich, wenn jemand, der dann eingebürgert wurde, z.b. den Werten des Grundgesetzes zustimmt. Das könnte man so als Grundkonsens in Bezug auf kulturelle Integration ansehen. Allerdings kann man es auch im Vorfeld nicht allzu gut abprüfen. Man kann vielleicht Kurse anbieten, welche neu eingebürgerten Personen das Grundgesetz darlegen, man kann dazu natürlich auch Tests machen. Ob jemand aber tatsächlich konform mit dem Grundgesetz geht, kann nur derjenige selber wissen.

Wenn man mit Leuten, die diese Thesen vertreten, weiter diskutiert, kommt von ihnen manchmal auch die These auf, Religion sei Privatsache. Es solle z.b. im Schulunterricht das Fach Religion nicht unterrichtet werden.

Dann kann man antworten, dass der Mensch, der aus der Schule heraus kommt, ein mündiger Bürger sein sollte und auf möglichst allen Gebieten, die gesellschaftlich relevant sind, kein Analphabet sein sollte. Denn im schulischen Religionsunterricht wird ja nicht indoktriniert, sondern reflektiert und Grundlagen über eine und übrigens auch mehrere Religionen geliefert. Es wird der Tatsache Rechnung getragen, dass Menschen beispielsweise christlich geprägt sind, diese können dann den christlichen Religionsunterricht besuchen und dort einerseits den christlichen Standpunkt genauer kennenlernen, andererseits von diesem Standpunkt aus andere Religionen reflektieren, Gemeinsamkeiten erkennen und Anknüpfungspunkte. Der Religionsunterricht gibt eine eigene religiöse und kulturelle Identität und ermöglicht einen gesicherten Blick auf die Welt hinaus, weil man nämlich selber weiß, wer man ist, kulturell und religiös fundiert und begründet.

Zudem muss auch niemand am Religionsunterricht teilnehmen, es gibt auch noch das Fach Ethik.

Wenn jemand aber einerseits wie oben die These vertritt, jemand sei nicht allein deswegen Deutscher, weil er eingebürgert ist und einen deutschen Personalausweis besitzt, sondern er solle doch bitte zwei oder drei Generationen hier erstmal in die Kultur hineingesickert sein, dann aber andererseits den Religionsunterricht in den Schulen ablehnt, lehnt man damit ja auch die kulturelle Prägung ab. Das widerspricht sich.

Denn Religion war schon seit Jahrhunderten bzw eigentlich seit Jahrtausenden immer auch ein wesentlicher Kulturträger. Natürlich gibt es auch Staatsformen, die beispielsweise marxistisch orientiert sind, aber dort, wo man die Religion zur Vordertür hinaus jagt, kommt zur Hintertür dann eben die Ideologie hereinspaziert, in dem Fall beispielsweise der Kommunismus. Nun mag man zum Kommunismus stehen, wie man will, aber auch dies ist eine Ideologie. Religion ist eine kulturell prägende Sicht auf die Welt, Kommunismus ebenfalls. Wer meint, Religion solle aus der Öffentlichkeit und aus den Schulen verschwinden, hat das nicht ganz bedacht. Auch der Atheismus kann zu einer Kultur und ebenso zu einer Ideologie werden.

Und wenn jemand trotz alledem meint, Religion solle doch bitte an Schulen nicht unterrichtet werden, könnte man analog dazu weiter behaupten, auch Geschichte sei doch Privatsache. Und Sozialkunde. Und vielleicht sogar Mathematik. Wer anderer Meinung ist, möge dies bitte begründen. Braucht ein mündiger Bürger Mathematikkenntnisse? Ja, wahrscheinlich schon. Soll ein mündiger Bürger sich kulturell und religiös reflektiert artikulieren können? Ja, natürlich ebenso. Deswegen Religionsunterricht, oder für diejenigen, die es gerne nicht-konfessionell haben, eben Ethikunterricht. Religionsunterricht verhindert das Abgleiten in den Fundamentalismus, weil er eine reflektierte, kulturell christlich untermauerte Bildung ermöglicht und dabei hilft, sich religiös selbst zu verorten und zu positionieren. Aus diesem Grund gibt es ja analog zum christlichen Religionsunterricht auch Vorstöße, einen muslimischen Religionsunterricht an Schulen einzuführen, nicht als Koranschule, sondern als Ort, wo der Koran und verschiedene Formen des Glaubens reflektiert und zeitgeschichtlich eingeordnet werden, helle und dunkle Stellen besprochen und Anknüpfungspunkte an andere Religionen sowie Möglichkeiten zu gegenseitiger Toleranz und zu respektvollem Umgang miteinander herausgearbeitet werden. Und auch jüdischen Religionsunterricht gibt es an Schulen, aus eben solchen Gründen.

Religion und Kultur hängen von jeher eng zusammen. Es macht Sinn, dass Religion in der Schule unterrichtet wird, um einen reflektierten Blick auf Religion und die Welt zu ermöglichen. Religionsunterricht in der Schule ist der Garant dafür, auch morgen eine tolerante und liberale Gesellschaft mit mündigen Bürgern zu haben, die nicht irgendwelchen Hinterhofkirchen oder Sekten oder radikalen Fundamentalisten in die Fänge geraten.

Und Religionsunterricht in der Schule garantiert zudem das, was hier oben von manchen Leuten gefordert wurde, nämlich eine kulturelle Identität.

Ähnliche Beiträge

2 Kommentare

  1. peter bachstein

    ich sag es mit den worten des türkischen dichters nazim hikmet:
    „ist mein auge auch blau, bin ich dennoch afrikaner, ist mein haar auch blong, bin ich dennoch asiate“
    ich denke, dieses „deutsch sein“ bedeutet mir hinsichtlich identität nicht mehr viel – ich bin im laufe der jahrzehnte zu sehr weltbürger geworden…

Kommentar verfassen

Entdecke mehr von god.fish

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen