Niere zu verhökern in TV-Show (Niederlande)

Am kommenden Freitag wetteifern in den Niederlanden 3 Nierenkranke um die Niere einer todkranken Frau. Das Ganze findet in einer Fernsehshow statt. Und das Beste: die Zuschauer voten per Sms mit. Letztlich soll aber die Nierenspenderin entscheiden können, wer denn ihr Organ bekommt. Der Sender möchte angeblich mit dieser Aktion darauf aufmerksam machen, wie unangenehm und unsittlich es doch sei, auf ein Organ warten zu müssen.

Er wählt dazu aber einen Weg, bei dem sich unwillkürlich der Verdacht aufdrängt, es gehe dem Sender weniger um die Aufrüttelung der Gemüter, als vielmehr um die Aufrüttelung seiner Zuschauerquote. Und Quote ist letztlich Profit. Profit bekommt ein Sender dann, wenn über ihn geredet wird, wenn er in aller Munde ist. Letztlich ist es dabei egal, ob er positiv oder negativ gesehen wird – Hauptsache, jeder kennt ihn. Daran schließen sich dann Folgeaufträge an: Werbeeinnahmen. Ein Sender mit hoher Einschaltquote ist automatisch eine Geldquelle.

Will man dem Sender also seine „gute Absicht“ glauben ? Nein. Es gibt – gerade für einen Fernsehsender unzählige andere Möglichkeiten, auf das Organspendedilemma hinzweisen. Er bräuchte nicht mehr zu tun, als in seine ach so teure Sendezeit Werbung und Aufklärungsprogramme zu dem Thema zu implantieren. Diesen Weg geht er aber nicht. Er geht den Weg des Geldes.

Er ist somit paradigmatisch für eine Weltsicht, die vom Kommerzdenken geprägt ist. Die Ethik hört demnach dort auf, wo der eigene Profit, der eigene Vorteil beginnt.

Es wird also am Freitag eine Show geben, wo eine todkranke Frau ihre Niere verhökert. Tausende Zuschauer werden per Sms abstimmen. Und letztlich entscheidet sich die sterbende Patientin dann – in einem sicher nicht untheatralischen, emotionalen, pathetischen Akt (…es klingelt schon die Werbekasse…) – für einen der Kandidaten. Die anderen zwei gehen heim. Leider verloren. Pech gehabt.

Klar, natürlich weist dies auch ein bischen drauf hin, wie unangenehm es ist, auf ein lebenswichtiges Organ zu warten. Will ja keiner. Und ein ganz klein wenig Sensationslust ist möglicherweise zudem noch mit dabei, bei jedem einzelnen Zuschauer. Nervenkitzel. Wir denken an die Trueman-show. Aber wenn wir den Fernseher ausschalten, ist die Sache nicht vorbei. Nicht für die Teilnehmer der Fernsehshow. Und Sie werden merken: für Sie selbst vielleicht auch nicht. Das Ganze könnte Sie doch mehr belasten, als Sie glauben. Oder mehr desensibilisieren, also „abgebrühter“ machen gegenüber dem Leid anderer, als Sie sich das gewünscht hätten. Zuschauen ja, handeln nein.

Wenn Sie nun aber zuschauen, dann gehen Sie genau in die geplante Falle: Sie unterstützen die Absicht des Senders, sein Plan geht auf, die Zuschauerquote steigt.

Was tun ? Wenn Sie dagegen den Weg wählen, Protest einzulegen, dann helfen Sie womöglich mit, eine menschlichere Politik zu initiieren. Wenn Sie anderen davon erzählen, dann bringen Sie Gedanken in Umlauf, die womöglich eine öffentliche Debatte entfachen. (Kennen sie sie: die Macht der Gedanken, die Macht des Wortes ?) An der Zeit wäre es angesichts solcher Machenschaften, oder nicht ? Zwar steigern Sie damit auch indirekt die Bekanntheit des Senders, aber es wird eine sehr fragliche Bekanntheit sein.

Wo nämlich Menschen andere Menschen derart zu Objekten degradieren unter dem Vorwand helfen zu wollen, unter dem Vorwand von „Mitmenschlichkeit“, muss man fragen, wo eigentlich die Ethik verlorengegangen ist.

Ethik ? Woher nehmen wir sie eigentlich ? Ein großer Bestandteil davon lässt sich aus dem christlichen Menschenbild herleiten, aus einem Menschenbild, das den anderen Menschen achtet, weil er irgendwie etwas göttliches in seinem Wesen zu haben scheint, weil er irgendwo und irgendwie sein Leben von Gott eingehaucht bekam. Weil er mehr ist, als die Summe seiner Einzelteile. Weil er nicht nur ein Haufen Zellen ist, nicht nur Biologie, sondern auch Geist und Seele.

Nun aber steht der Mensch – das ist leider Realpolitik – wieder einmal zum Verkauf. Und zwar wohl radikaler, als jemals zuvor. Der Mensch wird hier erstmals in einer bislang nicht gekannten Qualität zu einem Produkt, das vermarktet wird. Noch dazu: ein todkranker Mensch. Und drei weitere schwer kranke Menschen.

Arme Welt, die dies unkommentiert zulässt. Armer Leser (Sie !), der dies nur überfliegt und nicht in die Welt hinausträgt. Hier muss ein Aufschrei durch die Welt gehen. Oder der Aufschrei verstummt vielleicht für immer. Denn Grenzen, die in einem Land überschritten werden, haben die Tendenz, auch irgendwann in anderen Ländern überschritten zu werden. (Kennen nicht gerade wir Deutsche diese Problematik des Schweigens ? Wußten Sie dies noch nicht: wer schweigt, stimmt zu.)

Die Macht der Gewohnheit ist groß. Es liegt an Ihnen. Wie soll Ihre Welt aussehen ? Schlafen können Sie woanders. Wachen Sie heute auf. Vielleicht werden Sie sonst morgen so behandelt. Oder in einem Jahr. Oder in zehn.

.

.

Nachtrag zu dieser zynischen Fernsehshow mit dem sympathischen Namen „donor show“ (Geschenksshow):

Liebe Produzenten dieser Show, Ihnen ist sicher entgangen, dass es sich hier um ein Geschenk Ihres bald sterbenden Showgastes handelt. Aber wie wäre es, Sie haben doch recht laxe, unseriöse Gesetze bezüglich der Sterbehilfe, wenn wir nicht irren ? Könnten Sie nicht vielleicht den ganzen Vorgang ein wenig beschleunigen ? Was soll denn der Unsinn: eine Niere zu Lebzeiten, die andere erst nach dem Tod ? Geholfen werden könnte so viel früher schon gleich zweien Ihrer Kandidaten. Und Ihr Stargast könnte vielleicht noch mehr Wünschen nachkommen.

Fragen Sie doch mal rum, es gibt sicherlich noch Interessenten an Augen, Leber, Herz und weiteren Organen. Machen Sie doch eine Serie draus: am Freitag die eine Niere, nächste Woche gibts dann Augen.

Mal im Ernst: Ihr Stargast braucht die doch ohnehin nicht mehr. Und wenn zeitig und showgerecht mit dessen (ihrem) Ableben gerechnet werden kann, dann sind alle glücklich: vielleicht könnte sie ja in Ihrer Show ins Jenseits hinübergehen ? Oder vielleicht könnten Sie eine Sms-Umfrage dazu initiieren ? Klar, die Patientin müsste sich nicht dran halten – aber nett wär es doch schon von ihr, wenn sie dann gemäß dem Zuschauerwunsch ihr Leben beenden würde. Und interessant für die Zuschauer, stellen Sie sich das mal vor. Sie wären Vorreiter in einer Serie der Geschmacklosigkeiten. Vielleicht kommen Sie gar ins Guinessbuch ? Sterben muss sie doch ohnehin. Warum dann nicht gleich in Ihrer Show ? Geben Sie mal bischen Gas, da geht doch noch was. (hoppla, sterben müssen aber wir alle, oder ? Sie etwa auch ? Wie soll das dann bei Ihnen ablaufen eigentlich ? Sie werden das bei sich selbst dann ja sicherlich auch recht locker nehmen, wenn wir nicht irren ?)

Und ihre Überreste….hmmm, leckeres, gutes Fleisch. Denken Sie da nicht an unsere Haustiere, Hunde und Katzen ? Die armen Viecher müssen doch sonst immer die Reste essen. Hier aber wären alle glücklich: Ihre Patientin, die ein gutes Werk tut, und die Heimtierbesitzer nebst ihren Lieblingen.

Wir meinen: da haben Sie noch nicht alles rausgeholt, da geht noch mehr. Und denken Sie mal an die schöne Einschaltquote. Da können Sie später im Altenheim ihren Enkeln von erzählen. Sofern die Sie nicht schon früher euthanasiert haben. Ach, aber machen Sie sich da mal keine Sorgen. Bei Ihnen wird das sicher alles ganz anders. Treten Sie ruhig ein wenig die Menschenwürde mit Füßen, aber pochen Sie bei Ihrem eigenen Ableben dann auf einen menschenwürdigen Tod. Das haben Sie sich doch verdient. Oder nicht ? *

 .

 .

* [ wir distanzieren uns hier ausdrücklich von unserer zynischen Schlußbemerkung und stellen klar: kein Mensch darf zum Sterben genötigt werden, geschweige denn zur Organspende. Jeder Mensch hat etwas Heiliges an sich, das es unbedingt zu schützen gilt. Das Leben an sich ist zudem heilig. Wir Menschen können es nicht geben und wir haben auch keine Legitimation dafür, es zu nehmen. Weder im Sinne der aktiven Sterbehilfe, noch bei Verurteilungen im Sinne der Todesstrafe. Und schon gar nicht im Zusammenhang mit einer zwielichtigen Fernsehshow. Mögen Sie, liebe Showproduzenten, irgendwann einmal auf der anderen Seite stehen und das, was Sie hier anrichten, aus der Postition des Schwächeren erleben. Sie werden ins Grübeln kommen. ]

.

Lesen Sie auch: > Fernsehkampf um Spenderniere.

> Todkranke vergibt Niere via Fernsehen.

> Was ist Ethik ?