Menü Schließen

Die Hundewiese. Der will doch nur spielen.

Wir sind unterwegs in München mit dem Fahrrad. Englischer Garten. Nach Norden hin wird er immer mehr wie ein zufällig gewachsener Wald, Bäume, kleine Waldstreifen, dazwischen Wiesen mit höherem Gras.

Auf einer Wiese machen wir halt, in der Nähe eines Weges, der ins Gras getrampelt ist. Wir wollen mit den Kindern etwas ballspielen. Soweit kommt es aber nicht.

Es geht eigentlich alles sehr schnell. Ein Hund kommt angelaufen, er rennt zu einem Kind hin, dieses rennt einmal um die Fahrräder herum. Es hat Angst. Bei der zweiten Runde reagiere ich und schreie den Hund richtig laut an. Nun rufen auch die Herrchen des Hundes, eine Dame und ein Herr mittleren Alters. Der Hund lässt ab. Endlich.

Das Kind weint. Die Frau, die zu dem Pärchen gehört, die Hundehalterin also, kommt her, sie sagt, der wolle doch nur spielen. Wenn ein Hund komme, solle man einfach stehen bleiben. Diesen Tipp möchte sie dem Kind mitgeben.

Das Kind habe ich mittlerweile in den Arm genommen, es ist verängstigt. Tränen stehen ihm im Gesicht. Die Frau entschuldigt sich, sie habe das nicht gewollt. Sie ist freundlich. Es tut ihr scheinbar wirklich leid. Vielleicht ist sie auch ein wenig erschrocken. Vielleicht. Ich sage, ja, es sei ja nichts passiert, es sei schon wieder gut. Die beiden gehen weiter und leinen den Hund an.

Aber es ist nicht gut. Eigentlich wollten wir Ball spielen. Die Stimmung ist jetzt aber nicht mehr danach. Wir fahren weiter. Wir müssen immer wieder anhalten, weil das Kind weint. Es hat Angst. Es will auch zu keiner anderen Wiese mehr, um dort Ball zu spielen. Da könnten Hunde vorbeikommen. Bisher mochte es Hunde. Nun ist es anders.

Wollte der Hund wirklich nur spielen? Ich mag Hunde eigentlich auch. Vielleicht, vielleicht wollte er nur spielen. Am Schluss bellte er. Vielleicht wäre dann aus dem Spielen eine kleine Jagd geworden, aus dem Spielobjekt ein Jagdobjekt, ein Opfer. Ein kleines Kind.

Meine Frau sagt, sie sei als Kind einmal gebissen worden von einem Hund. Durch den Stoff des Pullovers hindurch, in den Oberarm. Bis ins Fleisch. Es war eine richtige Wunde. Auch ich bin einmal gebissen worden, von einem kleinen Dackel, als ich Zeitungen austrug, damals, als Schüler. Der Dackel biss nicht so fest zu, der Biss ging nicht durch die Hose durch.

Der Hund von heute war kein Dackel. Er war größer. Etwas kleiner als ein Schäferhund. Und nein, so jung, wie die Hundehalterin sagte, war er auch nicht. Er wollte doch noch spielen, er sei doch noch jung.

Der Heimweg wird sehr einsilbig. Wir sind betreten. Wir merken, wir haben eigentlich einen Schock. Vielleicht würde man sagen, wir sind ein wenig traumatisiert. Wir müssen immer wieder anhalten, um das Kind zu trösten. Es kommen Tränen. Der Nachmittag ist kaputt.

Traumatisiert sind wir auch deswegen, weil uns klar wird, wie schnell etwas hätte passieren können. Vielleicht wollte er ja nur spielen, der Hund. Das mag ich ihm gerne unterstellen. Meine Frau sagt, das könne man nie wissen bei Hunden. Auf jeden Fall ist klar, hätte der Hund beißen wollen, hätten wir keine Chance gehabt. Und wäre dieses Treiben weitergegangen, was als Spiel vielleicht begonnen hatte, hätte er vielleicht auch gebissen.

Ich denke an das Pärchen mit dem Hund. Sie sagten, sie hätten gedacht, sie könnten ihn ja frei laufen lassen, das sei doch eine Hundewiese. Ich unterhalte mich mit meiner Frau. Hundewiese? Nirgendwo steht hier, dass dies eine Hundewiese ist. Nein, es ist einfach ein Park. Es gehen hier Leute mit ihren Hunden lang, es ist aber nicht einfach eine Wiese, die für Hunde speziell da wäre. Und selbst wenn das so wäre, wenn das irgendwo tatsächlich auf einem Schild stehen würde, was es nicht tut, wäre das auch noch keine Legitimation dafür, dass ein Hund beispielsweise einen Menschen anfallen dürfte. Hundewiese. Was ist denn das für ein Argument.

Aber er wollte ja nur spielen, der angeblich so junge Hund. Das sagen Hundebesitzer gerne, der wollte ja nur spielen. Der sei ja harmlos.

So im Nachhinein bin ich mir nicht mehr sicher, ob er ganz so harmlos war, wie die Hundebesitzer sagten. Denn sie gingen weiter und meine Frau sah, dass sie etwas dabei hatten, was die meisten Hundebesitzer überhaupt nicht dabei haben. Sie hatten es ihrem Hund allerdings nicht angelegt, den Maulkorb.

Ähnliche Beiträge

2 Kommentare

Kommentar verfassen

Entdecke mehr von god.fish

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen