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Woran Sie merken, dass Sie in Deutschland mit dem Fahrrad unterwegs sind.

Vor einiger Zeit passierte mir folgende Begebenheit. Ich fuhr des mittags oder nachmittags mit dem Fahrrad auf einem fast völlig leeren Fahrradweg nach Hause und überholte dabei einen mit Fahrradhelm, Brille und Hosenklammern, damit die Hose nicht in die Speichen kommt oder gar schmierig von Öl wird, ausgestatteten Fahrradfahrer, welcher mich nach einiger Zeit an einer roten Fahrradampel, an der ich stand, rechts und links neben ihr Platz, hinter mir niemand außer ihm, einholte. Sehr verärgert und verdrossen und ungehalten war der Gute.

Nun hat der Deutsche einigen Klischees zufolge gerne etwas Oberlehrerhaftes und eigentlich auch immer gerne recht.

Der werte Herr mittleren Alters duzte mich zunächst, als würden wir uns aus dem Sandkasten kennen, woran ich mich zumindest nicht erinnern kann, und wies mich ruppig zurecht, wie das denn sein könne, dass ich ihn einfach überholt habe und ob ich denn die Reihenfolge hier nicht beachten würde?

Etwas irritiert stand ich zunächst da, blickte auf den leeren Fahrradweg, dann wieder auf seine Brille, seine Hosenklammern und seinen Fahrradhelm und versuchte zu ergründen, was denn sein Problem sei.

Er hatte sich in seinem Kopf eine Ordnung zurechtgelegt, welche die allgemeine Straßenverkehrsordnung zu übertrumpfen angelegt war und an deren Stelle treten sollte. Es gab für ihn ein gewisses, wenn auch geheimes System, demzufolge alle Menschen in der Reihenfolge, in der sie sich auf den Fahrradweg einst eingereiht hätten, bleiben müssten, bis in alle Ewigkeit, bis zum Sankt Nimmerleinstag, oder mindestens so lange, bis er, der werte Herr mit Fahrradhelm, Brille und Hosenklammern, selbigen verlassen hätte. Auch er halte sich ja an dieses System.

Nachdem ich begriffen hatte, fehlte mir ein wenig die Contenance und der Ton, mit dem ich ihm klar machte, dass wir prinzipiell zunächst einmal zumindest bis zu einer möglicherweise entstehenden und beidseitigen Sympathiebekundung per Sie sind, war nicht weniger scharf, als der Seine.

Ohne ein Einsehen zu haben, trennten sich unsere Wege und ja, ich fuhr immer noch vor ihm, weil ich schneller war und weil er auch bald hinter mir aus dem Blickfeld geriet.

Eines wusste ich aber. Ja, ich war hier in Deutschland. Wo sollte man so etwas sonst erleben, wenn nicht hier.

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