In der aktuellen Printausgabe der ZEIT wird von der Konferenz von Evian berichtet, in welcher es darum ging, die aus Deutschland fliehenden Juden irgendwo in Europa unterzubringen und ihnen Asyl zu gewähren. Es ging um etwa 540. 000 Juden und die Konferenz fand im Jahr 1938 statt.
Zwar war noch nicht abzusehen, dass die gewaltige Menschheitskatastrophe des Holocausts bzw der Schoah kommen würde, dennoch war schon damals klar, dass Nazideutschland Juden enteignete und ihnen die Rechte nahm. Dass das nicht gut gehen konnte, war hellen Köpfen auch damals schon ersichtlich.
In Evian beteuerten die europäischen Länder herzzerreißend, dass sie ja so gerne Juden aufnehmen wollten, aber leider, leider nicht könnten. Tue ihnen so leid. Echt schade. Gehe aber einfach nicht. Auch die USA schlossen sich diesem Lied an.
Heutzutage gibt es einen Flüchtlingsstrom nach Europa, wobei Europa immer noch der Kontinent ist, der mit der Flüchtlingsproblematik am wenigsten behelligt wird. Europa ist ein superreicher Kontinent, bei dem viele Menschen mehrfach im Jahr in ferne Länder in Urlaub fliegen und dort überhaupt kein Problem mit vermeintlicher Überfremdung haben, ganz im Gegenteil. Aber Menschen, die nach Europa flüchten, wolle man hier nicht haben. Hilfe, Überfremdungsangst.
Weltweit gibt es derzeit etwa 68 Millionen Flüchtlinge. Und der Westen ist nicht ganz unschuldig an einigen von ihnen, aufgrund von Waffenexporten, von wirtschaftlichen Interessen, von klimatischen Veränderungen, die zu einem großen Teil von den westlichen Wirtschaftsnationen mitverursacht wurden.
Ein winziger Teil dieser 68 Millionen Menschen weltweit versucht überhaupt, nach Europa zu gelangen. Und klar, man kann nicht alle aufnehmen.
Klar? Nein, so klar ist das überhaupt nicht. In Europa leben über 741 Millionen Menschen, in der EU knapp 512 Millionen. Würden tatsächlich alle 68 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, es allesamt und miteinander schaffen, nach Europa zu gelangen, wäre noch nicht einmal jeder zehnte Mensch hier ein Flüchtling. In Bezug auf die 512 Millionen der EU wären von 10 Menschen 1,3 Menschen ein Flüchtling.
Doch die meisten dieser 68 Millionen Menschen haben nicht einmal im entferntesten die Chance, beispielsweise finanziell gesehen, auch nur in die Nähe von Europa zu kommen. Und das ist auch gar nicht ihr Ziel. Nur ein geringer Teil flüchtet hierher.
Im Jahr 2015 feierte man in Deutschland zuerst das neue und freundliche Gesicht des ehemaligen Nazideutschlands, welches nicht nur Menschen vergasen, sondern aus Kriegsgebieten geflüchteten Menschen ein neues Leben verschaffen kann, oder zumindest eine sichere Bleibe. Doch dann kippte die Stimmung und obwohl heutzutage kaum noch Flüchtlinge ankommen, reiben sich Rechtspopulisten landauf landab die Hände und blasen ins Ausländerfeindlichkeitshorn. Nicht nur in Deutschland, auch in anderen europäischen Ländern.
Dabei hat beispielsweise der winzige Libanon weit über eine Million Flüchtlinge aufgenommen. Nicht zu vergleichen mit der gewaltigen Europäischen Union, mit diesem wirtschaftlich starken und reichen und riesigen Stück Land.
Es geht hier nicht darum, dass Europa nun 68 Millionen Flüchtlinge aufnehmen müsste. Bei weitem nicht. Aber es geht darum, dass Menschen und Politiker hierzulande von sogenannten christlichen oder europäischen oder europäisch-christlichen Werten faseln, und dann aber am rechten politischen Rand bohren, um möglichst die Migrantenzahl im Land und in Europa mit einem Minuszeichen davor zu versehen.
Natürlich, Europa muss nicht jeden aufnehmen und man möchte Menschen hier haben, die wirklich bedürftig sind, die integer sind, die integrationswillig und -fähig sind. Alles legitime Forderungen und Wünsche.
Aber dass derzeit im Mittelmeer beispielsweise Flüchtlinge auf Schiffen hin und her geschoben werden und die Länder sich erdreisten, diese Ärmsten der Armen weiter zu schicken, hat nichts mit diesen behaupteten europäischen Werten zu tun.
Europa sollte einmal definieren, was denn europäische Werte überhaupt sind. Und wenn dazu beispielsweise die Menschenrechte gehören, was man ja annehmen darf, sollten doch bitte diejenigen Länder, die dies nicht unterschreiben möchten, die EU verlassen. Und vielleicht kleine Diktaturen gründen, Mafiastaaten oder sonst was. Keiner braucht in der EU zu sein. Aber wenn man dort sein möchte und von hehren Werten erzählt, sollte man auch wissen, von was man da spricht. Und sollte sie übrigens auch leben.
Ja, Europa könnte es vom Reichtum und von der Fläche und von der Bevölkerungszahl her durchaus schaffen, alle 68 Millionen Flüchtlinge der ganzen Welt aufzunehmen. Klar andererseits, dass das utopisch ist. Klar, dass das überhaupt nicht das Ziel ist. Aber über einige tausende Flüchtlinge jedesmal ein Drama ausbrechen zu lassen, während diese unterernährt auf Schiffen im Mittelmeer umhergeschippert werden, ist nicht nur peinlich, es ist eigentlich schon menschenverachtend. Denn es sind keine Zahlen, die dort flüchten, es sind, Achtung, das ist nicht jedem klar, Menschen.