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Was wir von Schnecken lernen können

Schnecken habe die Ruhe weg. Keine Eile. Alles im Schneckentempo. Sie haben offenbar nichts Dringendes zu tun, so wie wir immer.

Kürzlich beobachtete ich eine Schnecke aus einiger Entfernung und konnte gar nicht feststellen: Bewegt sie sich nun oder bewegt sie sich nicht? Erst, als ich nach einiger Zeit wieder zu ihr hinblickte, erkannte ich: Sie bewegt sich.

Schnecken sind beneidenswert: Sie ignorieren jede Gefahr. Mitten auf dem Weg lassen sie sich unendlich viel Zeit. Als gäbe es gar keine Zeit. Als gäbe es keine Gefahr. Als hätten sie nichts zu verlieren.

Sind Schnecken einfach nur dumm?

Ich glaube nicht. Andere Tiere wissen genau um die Gefahren und würden sich niemals ohne Deckung so lange auf offenem Gelände aufhalten.

Schnecken tun das. Mitten auf dem Weg.

Es wäre nicht verkehrt, wenn wir etwas von den Schnecken hätten. Nicht so hastig, nicht so betriebsam, nicht so getrieben durchs Leben eilen. Nicht immer etwas tun wollen und müssen. Zeit haben.

Aber Zeit ist begrenzt, und das heißt knapp. Alles, was knapp ist, wird zusammengerafft. Am Anfang von Corona war’s Klopapier.

Wir raffen die Zeit zusammen wie im Film ein Zeitraffer: Alles läuft schneller ab als in Wirklichkeit. Um möglichst viel in die Zeit hineinzupressen. Denn unsere Zeit ist begrenzt. Und – wer weiß schon, was danach kommt?

Ob die Schnecke etwas von Gott weiß? Wahrscheinlich nicht. Aber vielleicht hat sie mehr von ihm verstanden als wir. Sie lebt, als hätte sie nichts zu verlieren. Als hätte sie unendlich viel Zeit. Und als wäre auch das, was der große Schuh über ihr ihr gleich antun könnte, kein großes Drama.

Gott will uns alles geben, was wir benötigen. Und genug von allem. Er hat uns nicht irgendwann einmal erschaffen und dann uns selbst überlassen. Er kümmert sich. Jedes Haar auf deinem Haupt ist gezählt (Mt 10,30). Insofern ist Gott Mathematiker; denn Mathematik ist nichts anderes als Zählen auf hohem Niveau.

Vielleicht ist es in den Genen der Schnecke verankert: Sie zählt nicht, sie muss nicht zählen, weil sie irgendwie ahnt, dass ein anderer jede Sekunde ihres Lebens zählt.

Von Klaus Straßburg

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