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Das Ende der Menschenrechte an der polnischen EU-Außengrenze? Eine ethische Einschätzung

Anbei ein paar Gedanken, die gestern im ZDF im Auslandsjournal thematisiert wurden.

Nachdem Weißrussland vor einiger Zeit eine westliche Passagiermaschine entführt hatte, um einen regierungskritischen weißrussischen Blogger in Gewahrsam zu nehmen, hat es mit Sanktionen aus der EU zu kämpfen. Doch nun hat der weißrussische Diktator Lukaschenko wohl zurückgeschlagen. Er lud offensichtlich flüchtende Menschen über Reisebüros ein, nach Weißrussland mit dem Flugzeug zu kommen, von dort würden sie dann weiter in die EU ziehen können. Dafür haben diese Menschen etwa jeweils um die 7000 € oder mehr gezahlt.

Tatsächlich sind viele flüchtende Menschen nach Weißrussland gekommen auf diesem Weg. Lukaschenko treibt diese Menschen dann an die polnische Grenze, weißrussische Soldaten schneiden offensichtlich in den Grenzzaun ein Loch, so dass die flüchtende Menschen hindurch können.

Auf der anderen Seite hat Polen ein Sperrgebiet in den Wäldern errichtet, Journalisten beispielsweise dürfen dort nicht hinein. Man geht davon aus, dass es Pushbacks gibt, dass also geflüchtete Menschen, obwohl sie schon auf dem Boden der EU sind, in Polen nämlich, von polnischen Soldaten zurück nach Weißrussland geschoben werden. Es wird auch von Gewalt seitens polnischer Soldaten gesprochen, ebenso davon, dass Hunde auf die flüchtenden Menschen in den Wäldern gehetzt worden seien.

Einige Menschenrechtsaktivisten durchqueren trotz Verbot die Sperrzone der Wälder, um geflüchteten Menschen, die dort bei Minusgraden irgendwo im Wald ohne Essen und Wasser sitzen, wenigstens das Notwendigste zum Leben zu bringen.

Es wurde gestern auch von Menschen berichtet, die temporär mit dem polnischen Notarzt aus der Sperrzone heraus gefahren worden waren, dann aber wieder in die Sperrzone in die Wälder gebracht worden und dort erneut ausgesetzt worden seien.

Allein die Einrichtung der Sperrzone, aus welcher nicht berichtet werden kann und darf, zumindest nicht legal, lässt derlei Berichte als wahrscheinlich und plausibel erscheinen. Es wurde gestern davon berichtet, dass mindestens 1500 geflüchtete Leute in der Sperrzone in den Wäldern seien sollen, eine interviewte Menschenrechtsaktivistin geht aber eher von 10.000 aus.

Nun ist der politische Hintergrund der, dass Wladimir Putin aus Russland offensichtlich den Ton für den weißrussischen Diktator Lukaschenko vorgibt und ihn unterstützt in seinem Vorhaben, die EU auf diese Weise zu destabilisieren, zumal man die EU so medial schön vorführen kann, gibt sie sich doch immer so menschenfreundlich und an den Menschenrechten orientiert, handelt aber nun offensichtlich in Teilen, in Polen nämlich, gerade entgegen der Menschenrechte. Eine hybride Kriegsführung von Seiten Russlands und Weißrusslands gegen die EU, die man schon aus Syrien kennt, wo Putin den syrischen Diktator Assad unterstützt hatte, der brachial gegen seine eigene Bevölkerung vorging, was dann Flüchtlingswellen in Richtung EU auslöste und im Jahr 2015 und auch danach die EU tatsächlich politisch destabilisierte.

Aus Sicht der EU ist man an der polnisch-weißrussischen Grenze nun in dem Dilemma, dass man aufgrund des Asylrechts geflüchtete Menschen aufnehmen muss, sobald sie den Boden der EU erreicht haben. Andererseits ist die Frage, wie man dem Treiben von Lukaschenko ein Ende setzen kann. Diese Frage wird derzeit auf dem Rücken dieser 1500 bis 10.000 geflüchteten Menschen in den Wäldern beantwortet. Die EU ist demnach derzeit nur noch theoretisch eine Institution, die umfassend auf ihrem Gebiet für die Menschenrechte steht, denn so, wie Polen, EU Mitglied, in der Sperrzone zu handeln scheint, scheinen die Menschenrechte zumindest für ein EU Mitglied, Polen, doch nicht allzu bindend zu sein, sofern es sich bei diesen Menschen um geflüchtete Menschen handelt.

Wenn Menschenrechte aber aus politischen Interessen beseitigt werden, beseitigt man damit auch Menschen. Genauer gesagt: man nimmt deren Tod, weil einem irgendwie gerade keine bessere Lösung eingefallen ist, achselzuckend in Kauf. Für die EU ist die Situation an der polnisch-weißrussischen Grenze politisch unbequem, für die geflüchteten Menschen dort in der Sperrzone kann sie tödlich sein.

Eine weitere Analyse zu dem Thema finden Sie hier.

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