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Die Illusion der gendergerechten Sprache

Gut gemeint und schlecht gemacht, so könnte man manches charakterisieren, was derzeit mit Sprache so angestellt wird. Dabei ist das Ansinnen originär ein gutes.

Sprache, so heißt es sicherlich zurecht, bilde auch Herrschaftsverhältnisse ab und erschaffe sie. Wenn man beispielsweise Menschen mit dunkler Hautfarbe mit dem N-Wort bezeichnet, das heute kaum noch jemand auch nur zu denken wagt, legt man Wert auf eine Unterscheidung, die rein äußerlich ist. Das ist rassistisch. Sinnvoller ist es, Menschen einfach als Menschen zu bezeichnen. Es ist nicht unwichtig, wie man etwas sagt, denn durch Worte werden Vorstellungen zementiert.

Ähnliches versucht man derzeit auch, um gendergerecht Menschen anzusprechen.

„Sehr geehrte Damen und Herren“, so hört man, würde Menschen, die sich weder als Frau noch als Mann fühlen, ausgrenzen.

Man könnte stattdessen sagen: „sehr geehrte Damen und Herren und Weitere“. Denn nur durch eine neue Sprachregelung werden die Menschen ja trotzdem nicht gleich. Es gibt weiterhin Frauen und Männer und Menschen, die sich irgendwo dazwischen fühlen.

Eine Sprachregelung, die neuerdings Anwendung findet, ist aber nicht ganz unproblematisch, wenn man nämlich sagt: „Sehr geehrte Anwesende!“

Denn hier wird versucht, „Männer und Frauen und Weitere“ durch den Begriff „Anwesende“ in einen Topf zu werfen. Das funktioniert zunächst ja auch ganz gut, allerdings ist hier das Anliegen, gleich zu machen, was nicht gleich ist.

Deutlich wird das im Singular. Dort heißt es „sehr geehrter Anwesender, sehr geehrte Anwesende und sehr geehrtes Anwesendes“. Die Geschlechter kann man im Singular nicht wegmogeln.

Mann und Frau und ein drittes Geschlecht sind eben nicht gleich. Unabhängig davon, dass sich jemand vielleicht zu 70% als Frau fühlt, zu 30% als Mann und so weiter.

Man könnte ja noch zustimmen, wenn man sagt, man verzichte im Plural auf die Differenzierung von Mann und Frau und macht alle gleich: Alle werden „Menschen“, alle sind „Anwesende“.

Aber das ist im Grunde auch eine kleine Lüge. Eine Notlüge, um bloß niemanden auszugrenzen. Nun ist es sicher gut und richtig, niemanden ausgrenzen zu wollen, aber es stimmt eben auch nicht ganz, wenn man so tut, als wären alle gleich. Es sind nicht alle gleich.

Drum erscheint eine Sprachregelung, die da lautet, „sehr geehrte Damen und Herren und Weitere“, sinnvoller, als alle im Plural untergehen zu lassen und so zu tun, als gäbe es keine Unterschiede.

Denn wie gesagt, spätestens im Singular gibt es die. Der Plural verschleiert nur, was im Singular dann ohnehin wieder offensichtlich ist. Ehrlich ist das nicht.

Ja, Menschen sollen Menschen sein, sie sollen auch nicht aufgrund ihres Geschlechts irgendwie benachteiligt werden. Sie sollen umgekehrt aber auch nicht benachteiligt werden, indem ihr Geschlecht überhaupt nicht mehr genannt werden darf. Das geht doch am Kern der Sache vorbei.

Wenn „Hans und Lise und Max“ zu Besuch sind, könnte man sagen, schön, dass Ihr alle da seid, ihr „Anwesenden“! Man kann aber auch sagen, schön, dass „Hans und Lise und Max“ da sind.

Ich selber verstehe das Anliegen, das dahinter steht, wenn man von „Anwesenden“ redet. Man möchte alle mit ins Boot nehmen. Meinetwegen kann man das auch so machen, ich komme damit schon zurecht und habe damit auch kein Problem. Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass diese Bezeichnung zwei Geschlechter sprachlich ausradiert haben will zugunsten einer imaginären Gesamtheit. So, als seien alle ein und dasselbe. Was sie eben nicht sind.

Drum ist die vermeintlich gendergerechte Sprache einerseits eine Einladung, alle als Menschen zu verstehen. Andererseits ist sie eine Illusion, dass alle Menschen gleich wären. Alle Menschen sollen gleich sein in Bezug auf die Menschenrechte, die ihnen zustehen. Sie bräuchten aber nicht in der Art gleichgemacht zu werden, dass man als Frau oder Mann innerhalb der Sprache überhaupt keine Anrede mehr bekommt. Denn das kann man nun auch als diskriminierend gegenüber Frau und Mann auffassen.

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