Menü Schließen

Wie lässt sich die Menschenwürde begründen?

Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es im Grundgesetz. Die Vorstellung der Menschenwürde geht zurück bis auf auf jüdisch christliche Wurzeln, nämlich auf die Ebenbildlichkeit des Menschen in Bezug auf Gott. Gott schuf den Menschen zu seinem Ebenbild, deswegen besitzt er seine ganz besondere und ihm speziell eigene Würde. Und weil er diese Würde besitzt, ist jeder Mensch gleich viel wert und darf beispielsweise auch nicht getötet werden, die Todesstrafe lässt sich damit negieren.

Nun ist aber nicht jedem diese christliche Herleitung der Menschenwürde so plausibel. Drum sei hier im Folgenden an ein paar Beispielen der Versuch unternommen, sie anders zu begründen.

Man könnte versuchen, die Menschenwürde damit begründen zu wollen, dass im Laufe der Evolution sich verschiedene Arten von Menschen entwickelten und sich nur die Art des Homo sapiens im Sinne des survival of the fittest durchsetzte. Deswegen habe der Mensch, der Homo sapiens, eine besondere Menschenwürde. Was jedoch vordergründig plausibel erscheint, birgt durch die Hintertür einige Gefahren. Denn wenn man hier den Wettbewerb ins Spiel bringt, survival of the fittest, ist damit ja nicht gesagt, dass dieses Spiel nun bereits zu Ende wäre. Man könnte sich genauso gut denken, dass nun einige Menschen auf die Idee kommen könnten, dieser Wettbewerb sei weiter am Laufen und sie wollten ihn gewinnen. Beispielsweise reiche und mächtige Menschen könnten die Auffassung bekommen, der scheinbar fortlaufende Auswahlprozess würde sie begünstigen, weswegen sie eine höhere Menschenwürde besäßen, als beispielsweise arme Menschen. Diese Art der Begründung ist also problematisch. Versuchen wir eine andere.

Man könnte sich überlegen, ob nicht alles Leben auf eine gleiche biologische Wurzel zurückzuführen sein könnte. Ob dies nun im biologischen Sinne tatsächlich so ist, sei einmal dahingestellt, aber nehmen wir es einfach mal an. Demnach wären alle Lebewesen gleich viel wert, das Problem wäre jedoch, dass man kein Fleisch und kein Fisch mehr essen dürfte, da ja jedes Lebewesen die gleiche Würde besäße. Würde man gedanklich die Annahme soweit ausweiten, dass man auch die Pflanzen mit einbezöge, was biologisch womöglich wenig Sinn macht, aber würde man dies tun, dürfte man sich überhaupt nicht mehr von irgendetwas Biologischem ernähren. Nur noch von Luft, Liebe und Sonnenlicht. Also auch dieser Versuch nicht ganz unproblematisch.

Oder man könnte versuchen, die Menschenwürde mit der Empathiefähigkeit des Menschen zu begründen. Weil der Mensch ein empathisches Wesen sei und somit wisse, wie es seinen Mitmenschen gehe, müsse er sich ihnen gegenüber anständig verhalten. Auch dieser Versuch einer Begründung kann schnell ausgehebelt werden, weil es genug Menschen gibt, die zwar möglicherweise empathiefähig sein könnten, es de facto aber nicht sind. Wenn jemand beispielsweise Geld damit verdient, dass er Waffen in Krisengebiete liefert, um selbst ein gutes Leben zu führen und finanziell Vorteile zu erlangen, widerspricht dies der Eingangsthese. Ach diese Begründung ist also nicht ganz stringent.

Oder man geht davon aus, dass der Mensch gleichermaßen neben Milliarden von anderen Menschen mit der Geburt in diese Welt hineingestellt ist und ins Leben kam. Jeder kam gleich auf die Welt und habe deshalb die gleichen Rechte und auch die gleiche Menschenwürde. Jedoch auch hier gehen die Finger hoch von Leuten, die meinen, so sei es aber doch gar nicht. Es gebe doch Menschen, die intelligenter seien, die stärker seien, die schneller seien, die geschickter seien und so weiter. Alle Menschen seien eben in keinster Weise gleich, auch nicht, wenn man behaupte, sie seien alle gleich in diese Welt hinein gestellt oder gesetzt worden. Auch dieser Begründungsversuch ist also eine partielle Sackgasse.

Man könnte noch eine humanistische Begründung versuchen, wonach der Mensch der Mittelpunkt der Welt und das Maß aller Dinge sei und deshalb eine gewisse Würde besitze. Allerdings mag der Mensch zwar auf der Erde das vermeintlich intelligenteste Lebewesen sein, aber seit Galileo die Sonne in den Mittelpunkt der Betrachtung rückte und wir heutzutage darüber hinausgehend wissen, dass wir auf einem von fantastilliarden vielen Planeten im Universum leben, ist auch diese Begründung ein wenig obsolet. Der Mensch ist angesichts der unendlichen Weiten des Universums womöglich doch nicht das Maß aller Dinge.

Kehren wir noch mal zu der Eingangsbegründung zurück, wonach Gott alle Existenz hervorgerufen hat, egal, welches Gottesbild man hier zugrunde legt. Bei einem deistisches Gottesbild hätte Gott den ersten Anstoß gegeben, bei einem biblischen Gottesbild wäre Gott darüber hinaus noch in der Welt zu finden, und sei es auch nur dadurch, dass er durch Gebete erreichbar wäre. Weil Gott alles, was existiert, erschaffen hat, wie auch immer er das gemacht hat, verdankt alle Existenz ihm das Leben. Und weil Gott den Menschen zu seinem Ebenbild erschaffen hat, besitzt der Mensch eine besondere Würde. Natürlich kann man auch diese Begründung der Menschenwürde aushebeln, wenn man sich der Vorstellung nicht anschließen will, dass hinter allem Gott steht und noch dazu ein solcher, wie er im Judentum und Christentum vorgestellt wird.

Was kann man als Fazit aus der Sache mitnehmen? Dass man sich schwer tut, die besondere Würde des Menschen, die Menschenwürde, plausibel zu begründen. Dennoch ist mir persönlich die letzte, die jüdisch-christliche Begründung, die liebste.

.

Ähnliche Beiträge

13 Kommentare

  1. gripseljagd

    Schwierig und deine Entscheidung für eine Begründung, die auf einer Fiktion eines Gottes beruht, ist doch nicht schlüssig. Du widersprichst dich doch selbst. Wenn du das Gottesbild schon frei stellst, dann ist Ebenbild doch völlig undefiniert. Wer an einen Naturgott oder was auch immer glaubt, scheitert mit Ebenbild. Mit der Begründung Ebenbild legst du auch das Bild Gottes fest. Selbst in der Bibel steht doch „Du sollst dir kein Gottesbild machen…“. Also ist deine Auswahl nicht nur im auf Fiktion basierenden Ansatz bedenklich, sondern auch in der Fiktion fehlerbehaftet und voller Widersprüche.
    Warum nicht einfach einen nichtkanibalischen Ansatz, gleiche Art und damit schützenswert. Blut ist dicker als Wasser. Das wird uns dann erst um die Ohren fliegen, wenn uns überlegene Außerirdische landen und uns für Getier halten, auf Grund unserer Primitivität für nicht Empfindungsfähig, unfähig zur Moral.


    https://polldaddy.com/js/rating/rating.js

  2. Utopio

    Sehr schöne Auflistung.
    Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung führt sie darauf zurück, „dass alle Menschen gleich geschaffen sind“. Das heißt die Menschen sind nicht gleich, Gleichheit ist keine Voraussetzung der Würde und widerspräche ja auch der Alltagserfahrung. Aber alle Menschen sind trotz aller Unterschiedlichkeit gleichermaßen von Gott geschaffen und damit gewollt. Und als Gewollte gleichermaßen von Wert.
    Interessant ist ja, dass die Ungleichheit der Menschen eigentlich die empirisch wesentlich augenscheinlichere Beobachtung wäre. Das Konzept der Menschenwürde widerspricht eigentlich der empirischen Erfahrungswelt und ist vollkommen unwissenschaftlich. Und doch ist sie die tragende Säule unserer Gesellschaft und nicht etwa der weit logischer klingende Sozialdarwinismus. Ein wenig erklärt das vielleicht auch, warum es nicht so recht gelingen will, dieses Konzept in ganz fremden Kulturkreisen zu verankern. Historisch ist es doch enger mit dem christlichen Denken verknüpft als man es sich in einer säkularisierten Gesellschaft eingestehen möchte.
    Spannend ist auch der Ansatz, den das Bundesverfassungsgericht vertritt. Das Grundgesetz, in dem die Menschenwürde verankert ist, regelt das Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Das Bundesverfassungsgericht geht dabei bei seinem Versuch Menschenwürde greifbar zu machen davon aus, dass der Bürger nicht Objekt staatlichen Handelns werden darf. Maßgeblich für die Würde des Menschen ist also, dass er als Subjekt wahrgenommen wird und als Subjekt agieren darf.


    https://polldaddy.com/js/rating/rating.js

  3. Pingback:Jahresrückblick 2019. Die meist gelesenen theolounge-Artikel – theolounge

  4. Nirmalo

    Fisch: „Wie lässt sich die Menschenwürde begründen?“

    Wie läßt sich die Liebe beweisen?

    Gar nicht.
    Weder das Eine, noch das Andere.

    Die feineren Dinge…
    unterliegen nicht der Vernunft.

  5. Nirmalo

    Fisch: „Immanuel Kant war z.B. schon der Meinung, dass man die Vernunft für ethische Wegpunkte verwenden kann und soll. Ich denke, er hat recht.“

    Die Meinung eines Star-Philosophen
    interessiert (und nützt) hier nicht.

    Würdest du dich (noch) schlimmer benehmen,
    gäbe es die Moral-Konstrukte nicht?

    Was die Vernunft angeht…

    Ich hatte mal einem Gespräch zugehört, in dem Edward Teller den Bau der
    Wasserstoffbombe begründete. Ihm gegenüber saß eine Frau, die nur weinte.

    Herz und Vernunft – getrennt.

    Edward Teller war ein sehr vernünftiger Mann!

    Vernunft ohne Herz ist die Katastrophe.

    Und hast du Herz (Liebe nicht nur für die „eigene Familie“
    oder die „eigenen Landsleute“), brauchst du keine Moral.

    Bist du mit der Liebe nicht so vertraut, hast
    du Recht, brauchst du „ethische Wegpunkte“.

    • god.fish

      Eine umfassende Liebe, die auch Nächstenliebe und Feindesliebe beinhaltet, kommt vordergründig natürlich ohne ethische Konzepte aus, wenngleich sie somit selbst zum ethischen Konzept geworden ist.

  6. Nirmalo

    Fisch: „sie [die Liebe] somit selbst zum ethischen Konzept geworden ist“

    Liebe ist kein Konzept.

    Ein Konzept ist Verstand – und nicht Liebe.
    Wenn dir (echte!) Liebe vertraut ist, weißt du das selbst.

Kommentar verfassen

Entdecke mehr von god.fish

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen