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Was soll man von biblipedia halten?

Neues Jahr, neues Glück, so scheint es. Und mit Jahresbeginn ist eine neue Blogcommunity mit dem biblisch klingenden Namen biblipedia.de an den Start gegangen mit dem hehren Ziel, biblische Lehre für Blogger in die Welt hinaus zu verbreiten. An sich eigentlich gar keine so schlechte Sache, wenn da nicht ein kleines Problemchen wäre. Aber dazu später.

Zunächst einmal sind 16 (erz?)konservative Christen angetreten, um ein Blogforum für evangelikale, liberale, postevangelikale Christen und für Skeptiker aufzubauen. Das erscheint mir schon etwas als Widerspruch, denn Liberale und Evangelikale passen irgendwo nicht so gut zusammen. Auch bin ich mal gespannt, ob diese 16 Blogger denn dauerhaft bei der Stange bleiben, denn eine Sache anfangen geht schnell, dabei zu bleiben ist hart. Unter den Bloggern finden immerhin sich sogar ein paar Theologen.

Jetzt aber zu dem vermutlichen Hauptproblem. Mitmachen kann in dieser Blogcommunity jeder, der zu dem Kommuniqué von Ulrich Parzany Ja und Amen sagt.

Wer kann bei Biblipedia.de mitmachen?

Blog-Autoren, die dem Kommuniqué des von Ulrich Parzany gegründetem Netzwerk Bibel und Bekenntnis zustimmen können und deren Inhalte zu Biblipedia.de passen sind herzlich zur Mitarbeit eingeladen.

https://www.bibelundbekenntnis.de/kommunique-vom-23-januar-2016/

Da wäre dann also dieses Kommuniqué, das ich im Folgenden mal etwas genauer betrachten möchte und von dem ich glaube, dass eigentlich jeder liberale, christliche Blogger nach der Lektüre desselben von der Idee ablassen müsste, bei dieser Gesellschaft einsteigen zu wollen. Ich führe mal einige Punkte auf und kommentiere sie.

Folgende Beobachtungen haben uns dazu veranlasst:

In den evangelischen Kirchen werden die Grundlagen des Glaubens zunehmend demontiert.

Es wäre hier hilfreich zu wissen, wer genau „DIE“ evangelischen Kirchen sind. In den evangelischen Kirchen, die ich besuche, habe ich diese Beobachtung nämlich nicht gemacht. Pauschalisierung ist immer problematisch.

In Frage gestellt wird insbesondere

  • die Autorität der Bibel als Wort Gottes und höchste Norm für Glauben und Leben,

Die Bibel als theologische Grundlage wird doch eigentlich in allen evangelischen Landeskirchen vorausgesetzt (sola scriptura). Was meinen die ?

  • dass Jesus Christus der einzige Weg zum Heil ist,

Pluralistische Theologen wie John Hick und von Brück gehen davon aus, dass es auch andere Wege zu Gott geben kann (Gott ist doch etwas größer als wir Menschen…). In den Landeskirchen geht man jedoch von Jesus aus, so meine Wahrnehmung, wenngleich schon Paulus sich überlegte, was wohl aus den Menschen werde, die Jesus nicht kennengelernt haben. Paulus nahm an, dass sie aufgrund ihrer Taten vor Gott treten und sich verantworten müssten.

  • dass Gott durch den stellvertretenden Tod Jesu am Kreuz und seine Auferstehung die Welt mit sich versöhnt hat,

Die These geht auf Anselm von Canterbury zurück und versucht, die Lücke zwischen Erbsünde (Adam und Eva) und Gottes (vermuteter) Gekränktheit zu schließen.

  • dass zur Offenbarung Gottes die Gottebenbildlichkeit des Menschen mit der Polarität und Gemeinschaft von Mann und Frau gehört,

Ja schon, aber was ist mit Menschen, die z.B. Zwitter sind ? Oder homosexuell ? Hat Gott diese Menschen nicht gewollt ? Problematische Gedanken klingen hier dezent durch…

  • dass die Gebote Gottes auch heute die gültigen Maßstäbe für das Leben der Christen und der Gemeinden sind.

Ja, aber…. was ist mit den alttestamentlichen Gesetzen ? Müssen Homosexuelle gesteinigt werden ? Darf man Sklaven halten ? Man lese dazu hier: https://theolounge.blog/2017/09/30/guenter-j-matthia-was-ist-schlimmer-schalentiere-oder-homosexualitaet/

  • In vielen Gemeinden und Gemeinschaften herrscht Verwirrung und besteht Besorgnis darüber, welchen Kurs führende Repräsentanten der evangelikalen Bewegung steuern.

In welchen („vielen“) Gemeinden und Gemeinschaften ? In den Landeskirchen eher nicht, nehme ich an. In religiösen Sondergemeinschaften mag das ja der Fall sein.

  • Es fehlt an deutlichem Widerstand gegen Entscheidungen von Kirchenleitungen und Synoden, die eindeutig Bibel und Bekenntnis widersprechen. Das betrifft aktuell die Beschlüsse zur Segnung und kirchlichen Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren, die kirchliche Förderung der Gender-Ideologie und Verlautbarungen zum interreligiösen Dialog.

Jesus wandte sich an die von der Gesellschaft Ausgestoßenen, die Kranken, Sünder, Prostituierten. Als die Sünderin zu Jesus kam (Lk 7,36 ff) vergab Jesus ihr ihre Sünden und gab ihr seinen Segen („Geh hin in Frieden“). Und Herr Parzany will diesen Segen gleichgeschlechtlichen Paaren verwehren und beruft sich im gleichen Atemzug auf die Bibel ? Ziemlich weit aus dem biblischen Fenster gelehnt…

Es folgt Unwesentliches. […]

In den gegenwärtigen Auseinandersetzungen halten wir folgende Konkretion für nötig:

  • „Wir bekennen uns zur göttlichen Inspiration der Heiligen Schrift, ihrer völligen Zuverlässigkeit und höchsten Autorität in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung“. (Glaubensbasis der Evangelischen Allianz)

Göttliche Inspiration mag man ja noch zustimmend abnicken, wenngleich durch die Sicht der jeweiligen biblischen Autoren, die ihre Gedanken (gerne göttlich inspiriert) zu Papier brachten und welche wir heute im biblischen Kanon vorfinden. Aber „völlige Zuverlässigkeit“ ? Ich wiederhole den Verweis auf die Steinigung und das Halten von Sklaven (siehe oben). Wirkt etwas unreflektiert. https://theolounge.blog/2017/09/30/guenter-j-matthia-was-ist-schlimmer-schalentiere-oder-homosexualitaet/

  • Wir stehen dafür ein, dass die rettende Botschaft von Jesus Christus allen Menschen gilt, den Juden zuerst. (Römer 1,16)

Gut, warum nicht. Aber Gott ist wohl größer, als wir Menschen uns das so erdenken können. Er mag Wege haben, Menschen auch auf anderem Wege zu erreichen. Wer seid ihr, dies a priori auszuschließen…(?)

  • Wir widersprechen der falschen Lehre, es gäbe auch andere Wege zum Heil.

Diese Aussage macht Dialog mit anderen Religionen schwer bis unmöglich. Ist den Verfassern dies klar ? War es nicht so, dass aus jüdischer Sicht die Tora und das Einhalten ihrer Regeln gewissermaßen die Stelle Jesu innehat ? Würden Juden nur durch den Glauben an Jesus vor Gott bestehen können ? Auch dies harter Tobak.

  • Wir widersprechen der falschen Lehre, dass Menschen durch die Taufe ohne den Glauben an Jesus Christus gerettet werden. (Markus 16,16)

Auch nicht unproblematisch diese Stelle. Denn bei Luther heißt es im Katechismus, dass der Heilige Geist den Glauben (be)wirkt. Er wird also nicht vom Menschen selber erwirkt, sondern von Gott höchstpersönlich. Wie soll denn ein Mensch glauben aus eigener Kraft ? Was ist mit den Menschen, die einfach nicht glauben können ? Herr Parzany gibt diesem Menschen mit der Aussage oben ja quasi selbst sie Schuld, wenn sie nicht glauben können – und gerettet würden sie dann wohl auch nicht. Luthers Katechismus dazu:

Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten […]

https://www.ekd.de/Kleiner-Katechismus-Zweite-Hauptstuck-13471.htm

  • Wir stehen dazu, dass gemäß der Offenbarung Gottes der Mensch zum Ebenbild Gottes geschaffen wurde und dass die Polarität und Gemeinschaft von Mann und Frau zu dieser Ebenbildlichkeit gehört, wie Jesus Christus es ausdrücklich bestätigt hat. (1.Mose 1,26-28; Matthäus 19,4-6)

Ich müsste jetzt ein bisschen haarspalterisch werden:

(Mt 19,4ff) Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer sie am Anfang als Mann und Frau erschuf
5 und sprach: »Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhängen; und die zwei werden ein Fleisch sein«?1
6 So sind sie nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden!
Ja, am Anfang mag das so gewesen sein, sofern man sich überhaupt auf dieses wörtliche Bibelverständnis einlassen will. Aber dann müsste man auch das „am Anfang“ realisieren. Wir sind aber nicht mehr „am Anfang“ und es ist Tatsache, dass es homosexuelle und transsexuelle Menschen gibt. Sollen diese Menschen denn etwa nicht Gottes Willen entsprechen ? (Sucht man es sich aus, wie man sexuell gepolt ist ? Haben Sie sich ausgesucht, heterosexuell zu sein ? Wann genau haben Sie dies beschlossen ? Erzählen Sie mal…)
  • Wir widersprechen der falschen Lehre, gleichgeschlechtliche Beziehungen entsprächen dem Willen Gottes und dürften von den Kirchen gesegnet werden.

Liebe Betonköpfe, lest mal das hier: https://www.ekd.de/spannungen_1996_2.html

Wir sind uns einig, dass im Gegensatz zum postmodernen Denken das Bekenntnis zu Jesus Christus und der Lehre der Apostel mit logischer und theologischer Notwendigkeit die Verwerfung falscher Lehren einschließt.

Ihr definiert, was falsch sei, I guess ? Richtig ist eure Auslegung, jede andere falsch, wie ich annehme ?

So widersprechen wir Ansichten wie zum Beispiel:

  • Man müsse für zentrale biblische Wahrheiten eintreten, doch gleichzeitig seien gegensätzliche Verständnisse und Lesarten der Bibel zu akzeptieren.

Ja ! Man muss verschiedene Lesarten und Verständnisse der Bibel akzeptieren ! Meine Güte. Woher sollt ihr denn bei jeder Stelle wissen, wie Paulus, Mathäus, Markus, Lukas, Johannes sie gemeint haben, als sie ihre theologische Sicht in Worte fassten ? Mal so zum Nachdenken für euch: Welcher der beiden Schöpfungsberichte in der Genesis ist denn dann eurer Meinung nach der richtige ? Und warum stehen da zwei ? Nur mal so als Frage… http://www.bibelwissenschaft.de/bibelkunde/themenkapitel-at/schoepfung/

  • Es sei dem Anliegen einer geistlichen Erneuerung der Kirche nicht zuträglich, wenn Missstände offen kritisiert werden. Ein „Ruf zur Mitte“ dürfe nicht ergänzt werden durch die Verwerfung von Irrlehre.

Das hier ist ja der verzweifelte Versuche, eure Meinung zu hinterfragen. Darf man das dann auch ? Oder dürft nur ihr hinterfragen ?

  • Biblisch orientierte Gemeinden hätten ein Toleranzproblem und müssten sich für Pluralität in Lehrfragen öffnen. Sie müssten auch solche Mitchristen akzeptieren, die in Sünde leben und die diese Sünde gegen Gottes Willen rechtfertigen.

Jeder Mensch, jeder Christ lebt in Sünde. Kein Mensch kommt durchs Leben, ohne an irgendwem – bewusst oder unbewusst – schuldig zu werden. Auch ihr nicht. Wollt ihr euch selber ausschließen ?

  • Weil Jesus ein „Liebhaber“ und kein „Rechthaber“ gewesen sei, dürfe es auch keinen offenen, energischen Streit um die Wahrheit geben, wie er aber bei Jesus, bei den Aposteln, bei den Reformatoren und den Vätern der Barmer Erklärung stattfand.

Streit um Wahrheit darf es geben, aber es ist nicht anzunehmen, dass ihr die Wahrheit für euch alleine gefunden habt, wenn man das oben mal liest. Nein, ist wirklich nicht anzunehmen. Ihr würdet ja alle anderen Christen, die sich nicht euren Meinungen anschließen, implizit der Lüge bezichtigen.

Wir fordern die zuständigen Gremien des Gnadauer Verbandes und der Deutschen Evangelischen Allianz auf, zu diesen Irritationen klärend Stellung zu beziehen und bitten um gemeinsame Gespräche.

Wenns sein muss.

Wir fordern die evangelikalen und pietistischen Verbände und die Bekenntnisgemeinschaften auf, das Reformationsjubiläum 2017 für Veranstaltungen zu nutzen, bei denen die reformatorischen Prinzipien „Allein Christus, Allein die Schrift, Allein die Gnade, Allein der Glaube“ öffentlich bekannt werden und zugleich benannt wird, wo diese reformatorische Basis verloren zu gehen droht. Wir erklären uns bereit, bei diesen Veranstaltungen inhaltlich und organisatorisch mitzuwirken.

Bin mir nicht sicher, ob ihr euch auf dem reformatorischen Pfad Luthers befindet. Oder was meint ihr eigentlich genau mit „reformatorisch“ ? Ist ja auch ein weiter Begriff: https://de.wikipedia.org/wiki/Reformation#Weitere_Entwicklung_in_Deutschland

Ach so, und ich will jetzt nicht klugschwätzen, tu es aber mal doch (ihr tut es ja auch): die vier Solas stehen im Ablativ eigentlich: Allein durch die Gnade, durch den Glauben, allein durch Christus und durch die Schrift. Aber egal. Nur, weil ihr doch so viel Wert aufs genaue Wort legt…

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5 Kommentare

  1. Schmall

    Hoppla. Stolpern wir da nicht auch durch ein Dokument, dem wir unterstellen, es müsse sofort alle Begründungen für die genannten Beobachtungen und Thesen enthalten?
    So rufen sie den „Liebe(n) Betonköpfe“ zu, sie sollten mal in der EKD-Orientierungshilfe lesen, „lest mal das hier: https://www.ekd.de/spannungen_1996_2.html
    Da aber (!) findet man nach der Zusammenfassung der Bewertung der einschlägigen Bibelstellen folgendes Fazit:
    „Blickt man von hier aus auf die biblischen Aussagen zur Homosexualität zurück, so muß man konstatieren, daß nach diesen Aussagen homosexuelle Praxis dem Willen Gottes widerspricht.“
    Ich frage mich, ob es gerecht ist, die Autoren wie Parzany daher so polemisch als „Betonköpfe“ zu meistern? Denn wahrhaftig: Ihre Meinung kann man durchaus begründet aussprechen.
    Auch sind so manche der kleinen abhandelnden Anfragen schnell zu klären. So würde Parzany (schätze ich mal) genauso wie Sie sagen, dass durch Christus das Gesetzt erfüllt ist. Er käme nun nicht mehr dazu, die Steinigung zu fordern. Zugleich kann er ja dort nachlesen, was Gott so alles darüber sagt, was ihm ein „Gräuel“ sei. Das kann einen schmecken oder nicht. Jedenfalls lässt es sich nicht einfach wegdiskutieren, wie Gott es demnach sieht, wenn ein Mann bei einem Manne liegt… Deshalb heißt die von Ihnen zitierte EKD-Denkschrift ja auch schließlich: „Mit Spannungen leben“.
    In ihr wird übrigens auch (ein paar Seiten weiter) erklärt, dass es abzulehnen sei, dass homosexuell Paare ins Pfarrhaus ziehen… Und weitere Hammer werden dort nicht fallen gelassen. Nun, wie gesagt: Mit Spannung leben.
    Was mir ohnehin fehlt:
    Die Aussage, dass es keinen Weg zum Vater gibt, außer durch Jesus Christus… in dessen Namen „alleine das Heil“ sei usw. ist mir geläufig. Ich kenne auch die biblischen Begründungen. Aber mir fehlt nach wie vor eine biblische Begründung für (!) den inter-religiösen Dialog. Das erschwert sich dadurch, dass wir über Jahrhunderte in Mitteleuropa eine mono-christliche Gesellschaft hatten. Inzwischen haben wir viele Religionen und rel. Gruppen um uns herum – womit wir uns in einem Kontext bewegen, der dem des israelischen Volkes und jenen der jungen Gemeinden ähnlich ist (hinsichtlich multi-religiösen Umfeld). Und gerade hier muss ich feststellen, dass es klare und harte Abgrenzungen – sowohl im AT als auch im NT gibt. Die sind so hart und scharf, dass sie mir nicht weiter zuhören würden, wenn ich sie in meinen Predigten führen würde. Und andere Zuhörer auch nicht.
    Zudem: Mir ist auch keine Stelle bekannt, wo ein inter-religiöser Dialog stattfindet (so voll auf Augenhöhe, wo ohne Bewertung eine Person einer fremden Religion deren Inhalt präsentiert und/ oder nicht gleich einräumt, dass der Gott Israels der wahre, größte usw. ist). Oft wird Paulus in Athen (Apg 17) angeführt. Aber der streitet dort – nachdem er in „heiligen Zorn“ über die vielen Götzenfiguren erregt wurde, auch nur für Christus. Und (!) geht mit denen weiter, die die Botschaft annehmen. Die restlichen lässt er stehen. Kurzum: Eine zweckgebunden apologetische, missionarische Rede.
    Der Ansatz der „pluralistischen Theologie“, den Sie schön zusammenfassen – „(Gott ist doch etwas größer als wir Menschen…)“ – wird ja gerade dadurch infrage gestellt, dass eine der Seiten äußert, dass Gott sich eben entschieden hat und (jetzt kommt es) dies offenbarte – im Sinne John 14, 6 oder Apostelgeschichte 4,12 usw.
    Ein Ausruhen auf den Gedanken von Paulus, was mit denen sei, die noch nicht die rettende Botschaft gehört haben, hilft da nichts. Die stehen vor Gericht, wie sie sagten.
    Auch hilft die Anfrage gegen die Verknüpfung von 1.Mose 1,26-28 und Matthäus 19,4-6 nicht. Erstens ist es Jesus selbst, der (und dazu gehört kein wörtliches Bibelverständnis, um zu sehen, wie er argumentiert) die Veränderungen in der Lebenswirklichkeit seiner Mitmenschen (Scheidungen, Scheideurkunden) mit den ursprünglich gewollten (ihm nach in Genesis zugänglich („Wisst ihr nicht, was in der Schrift steht?«, erwiderte Jesus. Mt. 19, 4“) vergleicht und die Abweichung negativ bewertet. D.h. dieses ursprünglich hat schon was – auch gegenwärtig (wenn man Jesus folgt). Zweitens kann man auch ohne Krone-Verlust einräumen, dass in den biblischen Texten (ob man‘ s will oder nicht) tatsächlich die Polarität von Mann und Frau in Gottes Ebenbildlichkeit zum Ausgangspunkt genommen werden. Ich kenne einfach keine Stelle, um dies aufzuweichen – ob ich mir meine Heterosexualität nun ausgesucht habe oder nicht.
    Schwach finde ich auch, einfach vom wundervollen, annehmenden, akzeptierenden Zugehen von Jesus in Richtung der Sünderinnen und Sünder dazu überzeugen, man müsse deshalb auch alles, was Sünde ist, bejahen/ akzeptieren. Gerade im Hinblick auf die Streitgespräche mit den Schriftgelehrten sehen wir einen anderen Konflikt als heute. Heute diskutieren wir, ob etwas Sünde ist oder nicht (und manchmal, wie wir damit umgehen sollen). Damals wurde diskutiert, wie man sich dem Sünder gegenüber verhalten soll und die Pharisäer – die Schlangenbrut – haben saftig Jesus gegen sich gehabt, wenn sie glaubten, etwas Besseres zu sein (z.B. Lukas 7, 41-43; Lukas 18, 10-14). Denn Sünder waren sie alle. Und in Texte setzte allesamt die Gegebenheit der Sünde voraus. Auch bei der Ehebrecherin… die als Person Annahme findet, ihre Sünde nicht (Gehe hin und sündige hinfort nicht mehr! John 8, 11). Mir fehlt diese Differenzierung bei ihnen und vielen ihrer Mitstreiter völlig. Mit ihr könnte man nämlich auch bewerten, ob eine konservative Bewertung von Homosexualität sogleich Jesus gegen sich hätte. Dies wäre der Fall, wenn Evangelikale etwa nicht nur die Homosexualität verdammten, sondern auch den Schwulen oder die Lesbe als Person gleich mit.
    Klar kommen Sie – und ich verstehe den Konflikt – mit dem Hinweis, dass die Identität schwerlich davon lupenrein zu trennen sei. Aber deshalb heißt die EKD-Orientierungshilfe, die sie gegen die „Betonköpfe“ ins Feld führen, ja auch „Mit Spannungen leben“.
    Wenn Sie auf Evangelikale treffen, die mit der Verneindung der praktizierten Homosexualität auch (zusätzlich!) den Schwulen oder die Lesbe als Person ablehnen, können Sie ihm/ ihr zur Belehrung gerne ein Werk aus ihren eigenen Reihen empfehlen:
    https://brunnen-verlag.de/homosexualitat.html#
    Dieses kleine, für die Gemeindepraxis nützliche Büchlein beinhaltet nicht nur eine fundierte Wiedergabe und Zusammenfassung der konservativen theologischen Position, sondern ist auch im Tonfall angemessen (und fordert einen solchen Tonfall). Genial ist dabei der Abschnitt, indem dazu verdonnert wird, auf die Sünden der anderen Sünder als Sünder (Mitsünder) zu schauen. Unter der Perspektive hätte auch Jesus nicht gegen sie aufbegehrt.
    Letztlich will ich auf eine Aussage von Ihnen – in ihrem ohnehin polemischen Text auf die Betonköpfe – eingehen. Mir fällt immer wieder auf, dass explizit verlangt wird, der gesunde Status sei, verschiedene Bibelauslegungen und Meinungen nebeneinander stehen lassen zu können. So fordern Sie dies auch hier. Ich frage mich, was denn jetzt in Hinblick auf diese Fragestellung das demütige Netto in der praktischen Umsetzung – etwa hier in diesem Blog-Beitrag – ist? Mir sticht er – um es diplomatisch zu sagen – nicht ins Auge.
    Über Ausführungen dazu, warum wir überhaupt einen inter-religiösen Dialog führen sollten (und zwar aus der Bibel heraus kommend), wäre ich dankbar. Mir fällt auf, dass dies wie ein Gebot gehandelt wird („Diese Aussage macht Dialog mit anderen Religionen schwer bis unmöglich. Ist den Verfassern dies klar?“). Und wie gesagt, finde ich viel, was dagegen spricht, einen Standpunkt einzunehmen, der andere Götter, Religionen und Heilsversprechen zu akzeptieren. Und um es klar zu sagen: Mir geht es nicht um die Frage der Toleranz. Meine atheistischen Freunde tolerieren meinen christlichen Glauben und verneinen ihn vollends (wie wohl jeden anderen).


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    • theolounge

      Nachdem Sie hier nun sehr ausführlich Stellung nehmen konnten zu dem Artikel, möchte ich eigentlich erstmal nicht jeden Punkt einzeln durchgehen, sondern hätte ein paar generelle Fragen an Sie.

      1. Welche Art von Schriftverständnis haben Sie? Spricht beispielsweise in den Evangelien Jesus wortwörtlich, oder sind es die Evangelisten, die ihn Worte sprechen lassen?

      2. Thema Homosexualität. Sie sagen, Sie würden Menschen, die homosexuell sind, nicht ablehnen, wohl aber die sogenannte Sünde der Homosexualität. Welche Auswirkungen hat diese Ablehnung eines ganz zentralen Teils dieser Menschen Ihrer Meinung nach? Haben diese Menschen Ihrer Meinung nach die Möglichkeit, gewissermaßen von ihrer Homosexualität „geheilt“ zu werden? Betrachten Sie Homosexualität als etwas Krankes?

      3. Dialog der Religionen. Ist Ihrer Meinung nach Dialog der Religionen möglich und/ oder erstrebenswert?


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