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Ist Jesus Mensch oder Gott? Und falls Gott, gab es ihn dann schon immer?

wp-1485798433001.jpgZunächst einmal war Jesus ein Mensch, der in Galiläa um das Jahr 0 herum geboren wurde, womöglich aber vier bis sieben Jahre früher. Das öffentliche Wirken, von dem die Evangelien berichten, dauerte etwa ein bis drei Jahre und begann etwa um das Jahr 30 nach Christus. Im Jahre 325 nach Christus wurde durch Kaiser Konstantin, den ersten römischen Kaiser, der Religionsfreiheit garantierte und der zumindest von den Kirchenvätern als erster christlicher Kaiser gesehen wird, festgelegt, dass Jesus mit seinem Vater, also Gott, wesenseins ist. Jesus und Gott sind also vom Wesen her gleich. Aber wie kam es dazu?

Am Anfang stand das Handeln und Wirken eines Wanderprediger aus Galiläa, Jesus von Nazareth. Einerseits muss es sich bei ihm um eine äußerst charismatische Persönlichkeit gehandelt haben, welche die Menschen mitreißen konnte. Zum anderen besaß er sicherlich eine recht hohe theologische Bildung und konnte sich, selber Jude, mit den jüdischen Autoritäten gut über die Thora und diesbezügliche Fragen unterhalten und sie diskutieren.

Das alleine würde allerdings den Siegeszug des Christentums noch nicht sonderlich gut erklären können. Besonders an Jesus waren einerseits die Heilungen, die er während seiner Wirkungszeit vielerorts vornahm. Er bekundete zudem immer wieder öffentlich, dass das Reich Gottes nahe sei und durch seine Heilungen und seine Predigten vom nahen Reich Gottes wurde für viele Menschen offensichtlich, dass durch Jesus tatsächlich eine starke Gottesnähe in der Welt aufgetreten war.

Es gibt zudem Berichte, die über bloße Heilungswunder hinausgehen und als Naturwunder bezeichnet werden. Diese werden jedoch von Theologen unterschiedlich gesehen. Der Theologe Gerd Theissen beispielsweise relativiert das Naturwunder, wonach Jesus den Sturm bändigen konnte, weil er meint, dies sei gewissermaßen literarische Unterstreichung der Bedeutung Jesu. Auch das Wandeln auf dem See nimmt er nicht unbedingt wörtlich, sondern sieht es so, dass damit dargestellt werden sollte, dass Jesus gewissermaßen in aller Munde war, überall am und um den See Genezareth herum, sodass man schon das Gefühl hatte, er könne über das Wasser gehen. Soweit zu den Naturwundern, allerdings muss man sich hier Gerd Theißen auch nicht anschließen.

Beim Tod Jesu wird von einer Finsternis berichtet und davon, dass die Gräber sich auftaten und die Toten heraus kamen sowie der Vorhang im Tempel zerriss. Dies könnte natürlich einerseits wörtlich gemeint sein, andererseits könnte man auch hier gut davon ausgehen, dass im übertragenen Sinn etwas Wichtiges ausgedrückt werden soll: Die Verfinsterung der Sonne soll nach dieser Interpretation gewissermaßen auf die weltgeschichtlich einmalige Situation hinweisen, dass Gott sich den Menschen gezeigt hat und nun am Kreuz selbst wie ein Mensch gestorben ist. Auch bei den Toten, die aus ihren Gräbern kamen, ist wohl kaum an Zombies zu denken, die nun durch die Städte liefen, sondern es soll damit wohl ebenfalls verdeutlicht werden, dass durch den Tod Jesu, bei dem es ja nicht blieb, da Jesus letztlich wieder auferstand, der Tod insgesamt ein Ende fand. Seit Jesus besteht die Hoffnung, dass Menschen auch nach dem Tod in einer anderen Seinsweise weiter existieren können. Und der im Tempel zerrissene Vorhang? Damit sollte wohl unterstrichen werden, dass der Zugang zu Gott nun nicht mehr allein dem Hohenpriester einmal im Jahr vorbehalten ist, sondern dass jeder Mensch durch Jesus nun wissen kann, wie Gott ist und direkten Zugang zu ihm hat. Eine Besonderheit, da der Mensch Gott ja nicht sehen kann. Dadurch aber, dass Jesus den Menschen bekannt gemacht hat, wie Gott denn ist, indem er verschiedene Gleichnisse von und über ihn erzählte und da er letztlich selber Gott war, hat nun jeder Mensch, der an Jesus glaubt, direkten Zugang zu Gott. Er landet also nicht mehr bei einem Götzen, den er sich selbst erschafft, sondern er kann eine (wenn auch menschlich gefärbte) Vorstellung haben von dem Gott, welcher der Urgrund allen Seins ist.

Jesu Heilungen, Jesu Wirken und seine Rede vom nahen Reich Gottes und letztlich seine Auferstehung, die von vielen Menschen als durchaus real und zutiefst wahr empfunden wurde (und immer noch wird), führte letztlich dazu, dass 325 in Nicäa festgesetzt wurde, dass Jesus und Gott gleichen Wesens sind. Im Jahre 451 wird auf dem Konzil von Chalcedon das Wesen Jesu genauer definiert, er ist fortan zugleich „wahrer Gott“, aber auch „wahrer Mensch“.

Die Entwicklung dorthin begann früh.

Paulus, der deutlich machen möchte, dass in Jesus etwas ganz Besonderes geschehen ist, dass sich in ihm Gott höchstpersönlich zeigte, entwickelt im Römerbrief und im Philipperbrief, also zwischen 56 und 60 nach Christus und somit etwa 25 bis 30 Jahre nach Jesu Tod, eine erste Vorstellung davon, was mit Jesus eigentlich gemeint war. Für Paulus wird Jesus durch seine Auferstehung zum Sohn Gottes.

Im Markusevangelium, das etwa um das Jahre 70 herum angesetzt wird, also etwa 40 Jahre nach Jesu Tod abgefasst wurde, lässt der Verfasser des Evangeliums Jesus bereits früher als Gottes Sohn hervortreten, nämlich bei der Taufe. Dort erscheint eine Stimme und sagt, du bist mein geliebter Sohn. Auch der römische Hauptmann erkennt unter dem Kreuz, dass Jesus der Sohn Gottes gewesen sein muss. Das ist beachtlich, da es sich bei ihm um einen römischen Heiden handelt.

Der Verfasser des Matthäusevangeliums, welches etwa um das Jahr 90 herum entstanden ist, setzt bereits vor der Geburt Jesu an. Ein Engel kündigt Jesus an als den Sohn Gottes. Auch die Propheten weisen dort bereits auf ihn hin.

Im Lukasevangelium, ebenfalls etwa um 90 nach Christus herum entstanden, weisen himmlische Heerscharen auf die Geburt Jesu hin. Hier wird Christus, der Messias, geboren, implizit also der Sohn Gottes.

Das letzte Evangelium, um 90 herum entstanden, das Johannesevangelium, theologisiert noch stärker. Hier ist Jesus das Wort Gottes, also die Weltvernunft, das Weltprinzip, heute würde man vielleicht sagen: das Prinzip des Universums und allen Seins schlechthin, welches schon immer bei Gott war und Gott selbst war und somit präexistent ist. Gemeint ist hier also nicht das menschliche Wesen Jesu, sondern die göttliche Natur, die sich in ihm gezeigt hat. Diese göttliche Natur gab es von Anbeginn aller Zeiten, sie kam in die Welt hinein, also in die eigene Schöpfung Gottes, und da sie eine Hypostase Gottes ist, eine Erscheinungsform Gottes, muss es sie folglich auch schon immer gegeben haben. Dieses Wesen Gottes zeigt sich in Jesus.

Somit gibt es eine theologische Entwicklung in der Deutung Jesu. Am Anfang stehen Jesu Heilungswunder, die Naturwunder werden möglicherweise literarisch ergänzt, um deutlich zu machen, dass sich in Jesus Gott höchstpersönlich zeigt. Die Auferstehung Jesu macht für seine Anhänger, für die Evangelisten und für Paulus absolut deutlich, dass hier ein Geschehen von einzigartiger Bedeutung stattfand. Paulus und die Evangelisten interpretieren dies und bereiten es theologisch und literarisch auf.

Insofern kann man sagen, der Mensch Jesus lebte etwa von kurz vor dem Jahre 0 bis um das Jahr 30 herum. In ihm zeigte sich Gott, der schon immer existierte. Jesus war wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich, somit also mehr, als die biblischen Propheten, welche nur Eingebungen von Gott hatten. In Jesus zeigte sich Gott höchstpersönlich und er war sich auch nicht zu schade, auf seine göttliche Allmacht zu verzichten, so dass er letztlich am Kreuz, einer der schlimmsten Foltermethoden der Römer, zu Tode kam, ohne sich zur Wehr zu setzen. Doch dabei blieb es nicht, Gott sprach hier gewissermaßen ein Machtwort. Der Tod sollte nicht das letzte Wort haben. Sondern die Auferstehung und das Leben.

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10 Kommentare

  1. racheles-welt

    Danke für die interessanten Gedanken 😊 Wenn Jesus all die Heilungswunder vollbrachte und tatsächlich Gott war, sind ihm die Wunder, die gegenüber Naturgewalten geschahen, ja auch zuzutrauen. Finde es immer schwierig, wenn Teile von Jesu Handeln oder Reden als wahr und andere als unwahr oder hier als „symbolisch“ gedeutet werden. Wo zieht man da Grenzen, bzw. wer entscheidet, was jetzt wirklich und was symbolisch geschehen ist.
    Mit Paulus Bild von Jesu Göttlichkeit muss ich mich glaub ich mal beschäftigen. Hab das bisher nicht so raus gelesen, dass Jesus für ihn erst nach der Auferstehung Gott war – aber habe mich bisher auch nicht bewusst damit befasst 😉
    Liebe Grüße!

    • theolounge

      Ich glaube, ich habe das ja auch so angedeutet im Artikel, dass man die Naturwunder natürlich durchaus auch mit ins Boot nehmen dürfte. Wollte nur mal andeuten, dass manche Theologen sie eben anders sehen.

      • racheles-welt

        Ja, das hast du angedeutet 😊 ist ja auch gut, sich da mit Verschiedenen Ansichten zu beschäftigen und dann seine eigene Meinung zu finden 😊

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