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Erzbischof Rowan Williams: Einheit in Vielfalt als Ziel

Leider habe ich die Anmoderation des gestrigen Beitrags zum Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, im Deutschland-Radio verpasst, aber ich gehe davon aus, dass die Zitate des Beitrags aus einem Vortrag stammen, den er letzten Donnerstag (19.11.) auf einer Tagung der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom gehalten hat.

Erzbischof Williams, der gleichzeitig den Ehrenprimat in der Anglikanischen Kirchengemeinschaft inne hat, hat bei diesem bemerkenswerten Vortrag deutlich gemacht, dass es bei der Ökumene um eine Einheit in der Vielfalt gehen müsse.

Dass er dabei vor der Gregoriana, und kurz vor seinem 20minütigen Treffen mit dem römisch-katholischen Papst Benedikt XVI. wenige Tage später, die Frage des Papstamtes nicht unerwähnt lässt, verwundert nicht: Seines Erachtens sei es eine zentrale Frage, ob die derzeitige Form des päpstlichen Primats theologisch zwingend sei, oder ob man sich nicht gegenseitig trotz abweichender Ansichten über das „Papstamt“ und dessen juristische Vollmachten anerkennen könne – zumindest stelle sich diese Frage all jenen Christinnen und Christen, die nicht zur römisch-katholischen Kirche gehörten.

Diese Frage dürfte gerade über den Bemühungen der römisch-katholischen Kirche virulent geworden sein, für übertrittswillige konservative Mitglieder der anglikanischen Kirchen die Türen weit aufzustoßen (vgl. dazu „Römlikanisch?„).

Rowan Williams entwarf dagegen ein eher das Modell einer Einheit in der Vielfalt, wie es z.B. bereits zwischen den miteinander in Kirchengemeinschaft befindlichen Alt-Katholischen Kirchen der Utrechter auf der einen Seite und den Anglikanischen Kirchen auf der anderen Seite besteht. Williams wörtlich: „Die entscheidende Idee ist folgende: Eine künftig erst wieder neu von uns zu schaffende weltumspannende christliche Gemeinschaft müsste ihrer Natur nach eine Gemeinschaft von selbstständigen kirchlichen Einzelgemeinschaften sein. Sie müsste nicht notwendig eine Insitution mit einheitlichen Rechtsstrukturen werden. Und der oberste Repräsentant einer solchen Weltgemeinschaft müsste keineswegs ein autoritäres, zentralistisches Amt inne haben.“

Das Modell der anglikanischen Kirchen würde sich hier sehr gut anbieten. Rowan Williams selber ist das Ehrenoberhaupt der Anglikanischen Kirchengemeinschaft von zusammen 80 Millionen Anglikanerinnen und Anglikanern weltweit. Ein ähnliches Modell wäre für ihn die Basis für eine Zusammenarbeit der Kirchen auf Augenhöhe.

Rowan Willams fragt in seinem Vortrag auch an, ob die Streitigkeiten und Trennungen der Kirchen, unter denen wir Christinnen und Christen noch immer leiden, denn überhaupt noch theologisch gerechtfertigt werden können. Abweichende Ansichten in praktischen Details könnten doch über der Vision einer angestrebten Einheit nicht zu einer dauerhaften Trennung führen.

Und bei solch praktischen Streitfragen, wie z.B. bei dem von der römisch-katholischen Kirche vertretenden Verbot der Frauenordination müsse sich die römisch-katholische Kirche fragen lassen, ob eine Aufhebung dieses von römisch-katholischer Seite aufgestellten Verbots denn dem Wesen der Kirche widersprechen würde, und ob eine Unterscheidung in männliche und weibliche Berufungen in diesem Zusammenhang einer theologischen Überprüfung an Hand der Bibel und der ökumenischen Texte wirklich standhalte.

Es sei nicht konstruktiv, wenn sich die verschiedenen christlichen Konfessionen von Unterschieden und Streitigkeiten abhalten lassen würden, sich zu versöhnen, und in Predigt und Sakrament ein gemeinsames Zeugnis zu geben.

„Mit all denen unter uns, die nicht römisch-katholisch sind, möchte ich das Problem auf den Punkt bringen und fragen: Ist das, was zwischen unseren Kirchen noch ungeklärt ist, wirklich so fundamental und kirchentrennend, wie es unsere römisch-katholischen Freude immer wieder behaupten? Und wenn nicht: Müsste es uns dann nicht endlich gelingen, die Streitfragen zurückzustellen hinter der umfassenden spirituellen Vision, die wir allen haben?“, so Rowan Williams.

Ich fände es gut, wenn sich alle Kirchen in der beschriebenen Weise aufeinander zubewegen würden. Für die Einheit in Vielfalt müssen wir nicht auf diejenigen warten, die vielleicht erst am Abend des Tages in ein gemeinsames Haus zurückkehren.

Der Bericht in der Sendung „Tag für Tag“ auf D-Radio: „Erzbischof Rowan Williams von Canterbury zur Ökumene“ (mp3-File)

Fotograf: chrisjohnbeckett – Quelle: http://www.flickr.de

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9 Kommentare

  1. philgeland

    Einheit in Vielfalt (wo auch immer) ist die einzige Chance, da sie der Verschiedenartigkeit menschlicher Lebensformen und damit dem Leben an sich gerecht wird.

  2. Rheinlaender

    Rowan Williams folgt hier dem religoesen Settlement von Elizabeth I, die das Book of Common Prayer ihres Halbbruders, Edward VI., nach dem kath. Zwischenspiel ihrer Halbschwester, Queen Mary I., so editieren liess, dass es sowohl fuer Prostanten wie Katholiken vertretbar war, an der formalen Einheit der Kirche festhielt, aber gleichzeitig diese, dem Settlement ihres Vater, King Henry VIII, folgend, aus der roemischen Jurisdiktion herausloeste und den Monarchen zum „Supreme Governor of the Church of England“ erhob (bis heute werden Bischoefe der CoE von der Koenigin auf Vorschlag des Premier Ministers ernannt).

    Dieser Formelkompromis hielt England aus den religoesen Wirren Resteuropas heraus und – als gewollter Nebeneffekt – unterwarf die Kirche der totalen Kontrolle durch den Monarchen und Parlament.

    Die Idee ist aus der Sicht des Staates im Prinzip nicht dumm: Die destruktiven Kraefte von Religonen in einem staatlich-formalen Prozess zu binden und so Idioten unter Kontrolle zu halten.

    Ich glaube aber kaum, dass sich Rom auf einen solchen Deal einlassen wuerde.

  3. philgeland

    Danke für den gut plazierten Kommentar.
    Wie der Zufall so spielt, beschäftige ich mich gerade ein wenig mit der Epoche Elizabeth I. (und der ihres Vaters). (Das Book of Common Prayers war mir zum Beispiel nicht bekannt). Ausgesprochen interessant!. Vielleicht auch deswegen, weil damals Weichen gelegt wurden, die Zustände wie die in Mitteleuropa während des 30jährigen Krieges verhindert haben. (Deswegen muss man die von
    Das Verhältnis der Briten (und des Staates) zur Kirche ist bis heute anderer Natur als beispielsweise in Deutschland. Ein gewisser Humor könnte uns auch nicht schaden.

  4. philgeland

    P. S. (Korrektur)
    Ups, da ist ein halber Satz flöten gegangen.
    Elizabeths Vater war ja nun alles andere als ein Heiliger. Schönreden sollte man seine Regierungszeit nicht, aber mir tut sich der Verdacht auf, dass er damit auf lange Sicht vielleicht Schlimmeres verhindert hat …

  5. Rheinlaender

    Wie sehr die Kirche in England noch unter politischer Kontrolle steht zeigt z. B. daran, dass der aktuellen Ausgabe des Book of Common Prayer der Act of Uniformity von Elizabeth I vorangestellt ist. Als 1928 die Church of England gar eine Reform des Book of Common Prayer vorschlug, war es das Parlament, dass diese ablehnte. Bis heute hat das Parlament in Westminister ein „Ecclesiastical Committee“, das Beschluesse der Synode der CoE beraet und entscheidend darin ist, ob diese vom Monarchen bestaetigt werden (Royal Assent) oder abgelehnt. Es ist „The Crown in Parliament“, die in letzter Instanz entscheidet, was die Church of England zu glauben hat oder auch nicht.

    Henry VIII war hier weniger entscheidend, da sein Settlement viele Fragen offen liess. Unter der Regierung seines Sohne, insbesonder unter Vormundschaft von John Dudley (dessen juengster Sohn, Robert, unter Elizabeth wieder eine prominente Rolle spielte) wurde die Religon einer radikalen protestantischen Reform unterworfen, die wiederum von Queen Mary I genauso radikal rueckgaenig gemacht wurde. Elizabeth I wollte durch ihre Reform das Land beruhigen und hatte dabei eine allgemeine Politik der relativen Toleranz gegenueber Katholiken („There is only one Christ, Jesus, one faith. All else is a dispute over trifles“ und „I have no desire to make windows into men’s souls“). Dies aenderte sich erst mit der Bulle „Regnans in Excelsis“ von 1570, und der Rebellion of the North, die ihre Authoritaet als Monarch in Frage stellten. Hier konnte kein Monarch Kompromisse eingehen, und eine Tudor erst recht nicht.

    Es gab schon einen blutigen Krieg in England: Den Civil War von 1642 bis 1649, in dem es auch um religoese Fragen ging: Im Wesentlichen um die Bebehaltung einer semi-katholischen Staatskirche oder radiklaere Reformen, sich am schottischen Calivinimus orientierend. Wie ueblich wurde dies in einem Kompromis, der Bill of Rights unter William and Mary, geklaert.

  6. Rheinlaender

    Zur komplexen religoesen, politischen und wirtschaftlichen Gemengelage, die zum Buergerkrieg fuehrten und die sich im Buergerkrieg und in der kurzlebigen Republik weiterentwickleten gibt es ein Standardwerk: Christopher Hill, Puritanism and Revolution, Studies in Interpretation of the English Revolution of the 17 Century, Pimlico Publishers, Random House, London, 2001, 365 Seiten

  7. philgeland

    Deine Kommentare sind mal wieder ein gutes Beispiel dafür, wie spannend und aufschlussreich es sein kann, aktuelle Geschehnisse (oder Statements) mit einem historischen Hintergrund zu versehen – also auf die Ursprünge hinzuweisen.
    Bemerkenswert auch, dass die „puritanistischen Strömungen“ in den USA ebenfalls auf diese Epoche zurückzuführen sind.

  8. Rheinlaender

    Ja – die Stroemungen gehen zum guten Teil aus Auswander aus England zurueck. Die Puritaner haben im Buegerkrieg defacto gewonnen und mit Oliver Cromwell die Macht. Eine Folge z.B. war, dass Theater geschlossen wurden und Tanz verboten. Nach Restauration der Monarchie unter Charles II ging man wieder auf das Settlement von Elizabeth I (formal) zurueck; auch wenn Charles II starke katholishce Sympatien hatte. Dieses Settlement wurde auch unter William and Mary beibehalten.

    Viele der nun unzufriedenen Puritaner wanderten aus nach Amerika. Die Mayfair-Settlers waren weniger Leute, denen es in England zu intolerant war, sondern sie wollten ihren Staat ohne „teuflische“ Dinge wie Pubs, Musik oder sich auf der Strasse kuessende Leute.

    Bis heute hat die Church of England einen „katholischen“ Teil mit Marienwallfahrten, Prozessionen, Kerzen, der „grossen Show“ und ab-und-zu Latein („High Chruch“) und einer Low Church, die eher an Calvinisten erinnert.

    Auch hier schaut wieder Elizabeth I um die Ecke, die in ihrem (relativ kleinen) Privy Council sowohl Puritaner (Robert Dudley, Sir. Francis Walsingham) aber auch mehr-oder-offene Katholiken wie Thomas Percy, 7. Earl of Northumberland, aufnahm und so versuchte diese Gruppen einzubinden.

  9. philgeland

    Elizabeth I. ist für mich so was wie eine „Lichtfigur“ ihrer Epoche.
    Trotzdem keine Heilige, aber das ist auch gut so.
    Warum?
    Weil sie meiner Meinung nach „cool“ war.
    Und weil sie meiner Meinung nach ein Symbol
    für die Niederlage der katholischen Inquisition ist.

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