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Verheizt und ausgebrannt

mwboekmannIch war von 1974 bis 2004 in der Krankenpflege tätig. Mein Beruf machte mir trotz einiger sehr schwieriger Umstände und Herausforderungen Spaß. Ich erlebte mit wie Jahr für Jahr Stellen gestrichen und an allen Ecken und Enden gekürzt wurde.

Manches war sinnvoll, denn es wurde früher sehr mit medizinischem Material geschludert und oft nicht wirtschaftlich gearbeitet. Dafür ist die Sensibilität mittlerweile überall vorhanden. Aber was seit einigen Jahren passiert ist die Verheizung von Krankenschwestern und -Pflegern auf breitester Front. Von Ärzten und anderen Medizinischen Berufen will ich erst gar nicht reden.

Die Kleinsten trifft es immer und überall am Härtesten.

Und zwar die, die die Drecksarbeit machen. Schwestern, Pfleger und Krankenhausärzte wehren sich meistens nicht gegen ihre Arbeitsbedingungen – sie sind von Haus aus sozial eingestellt und wollen nicht gern zu Lasten von kranken Menschen demonstrieren gehen oder gar ganz streiken. Und das wird von den Verantwortlichen eiskalt einkalkuliert und das Gewissen der Medizinalfachkräfte wird mit dem Hinweis auf möglichen Schaden von Patienten bei Streiks einfach nur zum weiteren Auspressen benutzt!
So kommt es dazu, daß in ambulanten Pflegediensten und Krankenhäusern Menschen arbeiten, für die das freie Wochenende eine Fata-Morgana ist, die aus dem freien Tag oder Urlaub gnadenlos zurückgeholt werden, weil mal wieder jemand krank geworden oder im Urlaub ist. Menschen, die ohnehin einen sehr schweren Beruf haben der für die Gesellschaft unerlässlich ist werden systematisch ausgebeutet und verheizt. Und das ist politisch auch so gewollt.

Die Überlebenstrategie des Pflegepersonals lautet immer häufiger: Keine Telefonnummern oder Handynummern an den Arbeitgeber weiterzugeben um im Falle des Falles einfach nicht erreichbar zu sein. Wenn Schwesternschülerinnen im Krankenhaus gefragt werden, ob sie nicht mal wieder für die Kollegen einspringen können, müssen sie sich alle möglichen Lügen zurechtlegen: Ich habe schon eine Reise gebucht und kann nicht zurücktreten etc.etc.

Meine Tochter arbeitete seit 7 Tagen als Praktikantin (ohne Bezahlung!) im Krankenhaus in der Pflege. An ihrem ersten freien Tag wurde sie kurz vor 12 angerufen und händeringend gebeten doch noch zum Spätdienst zu kommen. Es sei jemand krank geworden. Meine Tochter ist sehr jung, nett und hilfsbereit. Sie ließ sich überreden, obwohl sie nach 7 Tagen schon sehr kaputt war und eigentlich gar nicht wollte. Sie kann gut anpacken, ist klug und wurde auf Station sehr dafür gelobt. Aber eigentlich hätte sie das Frei sehr dringend zur Erholung gebraucht – man muß sich ja erst einmal an die neue Arbeit und Situation gewöhnen.

Sie rief mich an und weinte am Telefon – und das mit 22 Jahren.

Aber Schonzeit gibt es offensichtlich nicht mehr im Krankenhaus – man kann auch seine Kollegen durch Krankheit nicht mehr auf Station alleinlassen, dann bricht der Laden komplett zusammen und Kranke kommen zu Schaden.
So raffen sich dann gewöhnlich oft Schwestern mit 40 Grad Fieber auf und kommen zum Dienst, bis buchstäblich nichts mehr geht und sie völlig zusammengeklappt sind.
Und das ist politisch von der Regierung so gewollt! Besserung ist nicht in Sicht. Vielleicht sollte man den neuen Heldenorden lieber Krankenschwestern und -Pflegern verleihen als tapferen Soldaten?

Ich bin über diese Zustände mehr als empört!

Vielleicht sollten Ärzte, Pflegepersonal und andere Berufe im Medizinbereich den Herrschaften der Regierung ja im Herbst mal an der Wahlurne klarmachen, daß sie eine andere Gesundheitspolitik wollen?

Der Moloch war im Altertum eine blurünstige Gottheit, dem Kinder geopfert wurden. Wir haben in Deutschland den Moloch Gesundheitswesen aufgebaut, der schon längst angefangen hat seine Kinder zu fressen!

The Machine demands a sacrifice – an diesen Musiktitel der Band Colosseum erinnert mich das alles. Unser System – unsere Maschine ist zum Monster mutiert und von den Verantwortlichen wird alles getan, dieses Monster zu befriedigen. The show must go on. Dem Monster und Moloch müssen halt Menschen geopfert werden, damit es weiter leben kann…

Aber die Pharmakonzerne tastet bloß nicht an, obwohl in Deutschland Medikamente dreimal so teuer sind wie in Rest-Europa.

Foto: mwboekmann (Flickr.com)

> Lesen Sie auch einen Brief von Ärzten an die Gesundheitsministerin

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2 Kommentare

  1. maja49

    Frage. was soll man tun ???
    allein mit Wahlurne ist es wohl nicht getan
    da diese Herrschaften nach der Wahl doch machen was sie wollen.
    ich war voriges jahr 14 Tage im krankenhaus wegen einer operation. von pflege keine spur, weil das personal einfach nicht dawar. ich war froh als ich wieder nach hause konnte.
    die Ärzte haben gute Arbeit geleistet an meinen kaputten fuss, aber die Schwestern sind total überfordert und haben garkeine zeit. noch nicht mal um einen blutigen OP-Strumpf zu wechseln. und fragt man nach, da werden die Damen aber sehr sehr ungehalten. ich kam mir vor wie eine kleines Mädchen das keiner wahrnimmt. ich greife keine schwestern an, ich greife das system an. was soll getan werden, ich glaube es ist nicht mehr zu ändern.
    es wird nicht mehr besser, höchstens schlimmer

    • donralfo

      Was soll man tun?

      1. Als Patient Solidarität und Verständnis mit Ärzten und Pflegepersonal zeigen.
      2. Einem Sozialverband beitreten, der politischen Druck macht. Kostet wenig. Ich bin im VDK.
      3. Wahlurne
      4. Am wichtigsten ist, daß die Betroffenen ihren Protest äußern – sprich Ärzte, Pflegeberufe und medizinisches Personal
      5. Als Patient z.B. einer Patientenvereinigung beitreten
      http://www.patient-informiert-sich.de/
      6. Darüber Bloggen und schreiben (wie ich)

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